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05.02.2007

Studie: Kein Zweifel mehr am Klimawandel

Inzwischen sind die Rechenszenarien weit mehr als grobe Annäherungen: Der Klimawandel schreitet voran – und zwar wesentlich schneller, als bisher vermutet. Deshalb müsse nun „sehr konsequent gehandelt werden“, heißt es im neuen Bericht des Internationalen Wissenschaftsrats zum Klimawandel (IPCC), der am Freitag in Paris vorgestellt wurde. Klar ist: Hauptverursacher der beobachteten Klimaänderung ist der Mensch.

„Wenn wir von unseren Klimaprojekten nicht überzeugt wären, würden wir sie gar nicht erst veröffentlichen“, unterstreicht Erich Roeckner, am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie zuständig für Klimamodelle, den Ernst der Situation. Zusammen mit dem Deutschen Klimarechenzentrum haben die Wissenschaftler dort einen großen Teil der Klimaprognosen für den neuen Bericht des Internationalen Wissenschaftsrats zum Klimawandel (International Panel on Climate Change, IPCC), berechnet. Insgesamt wirkten hunderte von Wissenschaftlern an dem Bericht mit, darunter 58 Forscher aus Deutschland.

Nachdem die globale Temperatur in den letzten hundert Jahren durchschnittlich um 0,8 Grad Celsius gestiegen ist, prognostizieren die IPCC-Forscher für das kommende Jahrhundert einen Anstieg von 2 bis 4,5 Prozent. Allein dieser Vergleich macht deutlich, wie dringend das Problem ist. Michael Müller, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium: „Der Bericht zeigt: Der Klimawandel ist unbezweifelbare Realität, er äußert sich bereits jetzt in immer mehr extremen Ereignissen wie Hitzewellen und Starkniederschlägen und im beschleunigten Abschmelzen von Gletschern und Eiskappen. Der Bericht bestätigt die Notwendigkeit einer ehrgeizigen Klimapolitik.“

Weitermachen wie bisher – steigende Bevölkerungszahlen und Focus auf ungebremstem Wirtschaftswachstum, Technikwandel nur in einzelnen Weltregionen oder Produktionszweigen, Energie weiterhin aus dem üblichen Rohstoffmix – wird uns mit großer Wahrscheinlichkeit eher mit dem höheren Temperaturanstieg konfrontieren. Mit entsprechenden Folgen wie Ausbreitung von Dürregebieten und Anstieg des Meeresspiegels um bis zu einem Meter. Für die Nordsee und den Nordatlantik prognostizieren die Klimaforscher einen halben Meter: zuviel für Inseln und Küste. Das Abschmelzen der Polkappen wird nicht nur mehr Wasser bringen, sondern zum Beispiel auch zur Abschwächung des unser europäisches Klima beeinflussenden Golfstroms beitragen.

Für Europa bedeuten die Prognosen: Im Winter mehr Niederschläge, dadurch erhöhte Hochwassergefahr. Hitzewellen wie im Sommer 2003 werden bei uns in der zweiten Jahrhunderthälfte Normalität sein. Insgesamt wird es sommers weniger regnen, und wenn, dann heftig. Auf Schnee sollte man sich auch nicht mehr einstellen: In Mitteleuropa wird die Schneemenge um 80 bis 90 Prozent zurückgehen, selbst in den Hochlagen der Alpen und im norwegischen Gebirge wird es um 30 bis 50 Prozent weniger schneien. Mit einer Zunahme von starken Stürmen rechnen die Wissenschaftler zwar nicht, da die Temperaturunterschiede zwischen Nord und Süd abnehmen werden. Gleichfalls weisen sie aber darauf hin, dass die Stürme die entstehen werden, über mehr Energie verfügen, also größere Schäden hinterlassen werden.

Selbst wenn es uns übrigens gelänge, unser klimaschädigendes Verhalten sofort und nachhaltig umzustellen, wird sich die CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre bis 2100 gegenüber der vorindustriellen Zeit von 280 auf 550 ppm verdoppeln. Zum Vergleich: In den vergangenen 650.000 (!!!) Jahren bewegte sich dieser Wert nur zwischen 200 und 300 ppm, wie Untersuchungen des Polareises zeigten.

Die Folgen der Wetterveränderungen werden gravierend sein, wie bereits der frühere Weltbank-Chef Nicholas Stern ausgeführt hat: Schon der heiße Sommer 2003 hat in Europa rund 30.000 Menschen das Leben gekostet und der Landwirtschaft Schäden in Millionenhöhe gebracht. Stern rechnet bei einem – gemäßigten – Temperaturanstieg bis 2100 von 2 Grad Celsius mit jährlichen Kosten von etwa 5 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Nach derzeitigen Berechnungen wären das rund 200 Milliarden US-Dollar. Bei einer Erwärmung um 4 Grad Celsius (also doppelt so hoch und von den Forschern durchaus im Bereich des Möglichen angesiedelt) stiegen die Kosten laut Stern um das Vierfache.

Für den ICPP-Präsidenten Rajendra Pachauri verknüpft sich mit diesen schockierenden Zahlen die Hoffnung, dass die Regierungen nun handeln. Ob diese Hoffnungen in Erfüllung gehen, bleibt abzuwarten. Zwar hat die Bundeskanzlerin und amtierende EU-Ratspräsidentin Angela Merkel schon mehrfach Klimainitiativen angekündigt, doch hofiert sie derzeit wieder die deutschen Autokonzerne, die gegen schärfere EU-Vorschriften zum CO2-Austoß rebellieren. Dabei sei in der EU der Kfz-Verkehr einer der wenigen Sektoren, wo die CO2 Emissionen immer noch zunähmen, schreibt der Journalist Martin Hoffmann in seinem Bericht „Mit Vollgas ins Treibhaus“. Seit 1990 immerhin um 26 Prozent. Den deutschen Autobauern ist es nicht einmal gelungen, ihre vor knapp zehn Jahren erklärte Selbstverflichtung einzuhalten, wonach sie den CO2-Ausstoß auf 140 Gramm pro Kilometer reduzieren wollten. Gebracht haben sie es gerade mal auf 160 Gramm pro Kilometer.

„Zentraler Bestandteil eines Verhandlungspaketes der EU für die kommenden Klimaverhandlungen ab Ende 2007 muss es sein, dass sich Industriestaaten, also auch die EU, auf eine Minderung der Treibhausgasemissionen um 30 Prozent bis 2020 gegenüber 1990 verpflichten. Darin sieht die Bundesregierung eine Chance, unsere führende Rolle bei Innovation und Technologieentwicklung auszubauen“, so Michael Müller, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Ja, dann seht mal zu, dass das was wird!, möchte man der deutschen Koalitionsregierung zurufen.

Der Bericht ist der erste von 3 Teilbänden des 4. IPCC-Sachstandsberichtes. Der zweite Teilband wird sich mit den zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels beschäftigen, der dritte mit den Handlungsoptionen zur Vermeidung weiterer Treibhausgasemissionen. Ihre Veröffentlichung ist für Anfang April und Anfang Mai 2007 geplant.

Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), Martin Hofmann/SWP 02.02.2007

  

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