DIW: Fracking hat in Europa nur geringes Potenzial
Der wachsende Energiehunger der Asien-Pazifik-Region wird die Erdgas-Märkte der Zukunft prägen, die europäische Energiewende jedoch nicht behindern. Das zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Auch langfristig droht demzufolge keine Knappheit des Rohstoffs, dem wegen seiner flexiblen Einsatzmöglichkeiten auch bei der Energiewende eine stützende Rolle zukommt. Regional werde es aber zu deutlichen Veränderungen von Produktion und Nachfrage kommen, prognostizieren die DIW-Energieexpertinnen und -experten anhand von Modellrechnungen.
Demnach wird Asien langfristig die weltweite Nachfrage dominieren. Die USA könnten vor allem durch die starke Zunahme des sogenannten Frackings zur Erdgas-Exportmacht aufsteigen. In Europa räumen die Forscherinnen und Forscher dieser Fördermethode hingegen nur wenig Potenzial ein. Hier hänge die künftige Bedeutung des Rohstoffs vor allem davon ab, ob er in der Energiewende als Brückentechnologie oder langfristige Ergänzung zur unsteten Einspeisung der Erneuerbaren Energien genutzt werde. Insgesamt sei für die Zukunft der Erdgasmärkte entscheidend, ob die Politik verbindliche Emissionsobergrenzen festlegt und so den zukünftigen Erdgasverbrauch beschränkt, heißt es in der entsprechenden Pressemitteilung.
Für die im DIW-Wochenbericht veröffentlichte Studie haben die DIW-Energieexpert/innen Franziska Holz, Philipp M. Richter und Christian von Hirschhausen das Potenzial des weltweiten Erdgasmarktes untersucht und modellgestützt mögliche Entwicklungsszenarien für verschiedene Klimaschutzziele analysiert. Demnach ist Erdgas auch langfristig verfügbar. Die weltweiten Erdgas-Reserven, also die aktuell wirtschaftlich abbaubaren Vorkommen des Rohstoffs, belaufen sich verschiedenen Schätzungen zufolge auf etwa 200 Billionen Kubikmeter und würden bei einer fortlaufenden Förderrate des Jahres 2011 rund 60 Jahre lang ausreichen, um die weltweite Nachfrage zu bedienen. Werden über die Reserven hinaus auch die Ressourcen betrachtet, also die gesamten physischen Mengen ungeachtet der derzeitigen Wirtschaftlichkeit des Abbaus, reicht das Erdgas sogar für geschätzte 230 bis 400 Jahre. Problematisch sei jedoch die im Erdgas ‚gespeicherte‘ Menge an Kohlenstoffdioxid.
„Würden alle Reserven verbrannt, würden etwa 400 Milliarden Tonnen CO2 freigesetzt. Gemeinhin geht man jedoch davon aus, dass nicht mehr als 1.000 Milliarden Tonnen emittiert werden dürfen, um das Zwei-Grad-Erwärmungsziel noch zu schaffen“, erklärt Energieexpertin Holz. Diese Emissionen fallen jedoch insbesondere auch durch die Nutzung von Kohle und Erdöl an, bei deren Verbrennung anteilig mehr CO2 Emissionen freigesetzt werden. Die DIW-Forscherinnen und -Forscher sehen es als eine „realistische Betrachtungsweise“, dass Erdgas in Europa noch einige Jahrzehnte lang als Brückentechnologie eingesetzt werde. „In anderen Weltregionen, die derzeit noch sehr viel Kohle verbrauchen, könnte Erdgas einen wichtigen Beitrag zur C02-Reduktion leisten.“
In jedem Fall wird es den Forscherinnen und Forschern zufolge zu deutlichen Strukturverschiebungen auf dem Weltmarkt kommen. So hat es in den USA nach einem starken Preisanstieg zu Beginn des Jahrtausends einen regelrechten Explorations- und Förderboom gegeben, bei dem auch die neue Fördertechnologie des Frackings eingesetzt wurde. In der Folge stieg die Erdgasförderung in den USA von etwa 520 Millionen Kubikmeter im Jahr 2006 auf etwa 680 Millionen Kubikmeter 2012. Derzeit wird am Aufbau der für den Export notwendigen Infrastruktur gearbeitet, so dass die USA dann auch als Exporteur auftreten können.
Den Rang als größter Erdgasverbraucher hingegen werde Nordamerika in wenigen Jahren an Asien abtreten. „Bereits 2025 könnte Asien mehr Erdgas verbrauchen als Nordamerika, das traditionell der größte Konsument ist“, heißt es in der Studie. Asien werde auch Europa als größter Importeur ablösen. Während den Berechnungen zufolge der Nahe Osten ein strategischer Anbieter bleibt, geht die Bedeutung Russlands für die europäische Erdgasversorgung zurück. Durch die Verschiebung der globalen Handelsflüsse ergibt sich auch für Mittel- und Osteuropa eine sinkende Abhängigkeit von russischem Gas: Der Rohstoff kann in Zukunft zunehmend aus Richtung Westen importiert werden.
In Europa räumen die DIW-Expertinnen und -Experten dem Fracking nur geringes Potenzial ein. „Unter anderem die strengen Umweltauflagen in einigen europäischen Ländern, die geringen und sehr unsicheren Schätzungen bezüglich der vorhandenen Menge sowie die hohe Bevölkerungsdichte stehen einer leichten und kostengünstigen Erschließung der Vorkommen entgegen“, so die DIW-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler.
Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)
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