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04.12.2012

„Grünes Wachstum“ - Märchen oder Strategie?

Wirtschaftswachstum lässt nicht nur Umsätze und Einkommen steigen, sondern auch den Ausstoß von Treibhausgasen. Ist „Grünes Wachstum“ ein Ausweg, ist es „Märchen oder Strategie“? Gerade jetzt wird beim Weltklimagipfel in Doha über Probleme wie dieses gestritten. Lösungspfade zeigten bei der Climate Lecture an der Technischen Universität Berlin (TU) zwei Wissenschaftler auf - der britische Wachstumskritiker Professor Tim Jackson und der Chef-Ökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Professor an der TU, Ottmar Edenhofer.

Wohlstand sei durchaus auch ohne Wachstum möglich, und auf Dauer schade das Wachstum unserem Wohlstand, weil es dessen natürliche Grundlagen plündert - so argumentierte Tim Jackson von der Universität Surrey. Eine Entkopplung von Wachstum und Umweltschäden hält er nicht für machbar. 

„Die Anforderungen wären enorm: in einer Welt mit neun Milliarden Menschen, die alle nach westlichen Einkommen streben, müsste die globale Kohlenstoffintensität der Wirtschaftsleistung im Jahr 2050 mindestens 130-mal niedriger sein als heute - dies wäre eine technologische Meisterleistung der Industriegesellschaft, jenseits von allem bisher Erreichten“, sagte Jackson.

„Letztendlich geht Wohlstand über materielle Interessen weit hinaus“, betonte Jackson. „Er beruht auf unserer Fähigkeit, als menschliche Wesen ein gutes Leben zu führen - und zwar innerhalb der ökologischen Grenzen einer endlichen Welt.“

Bislang sei eine Entkoppelung des Emissionswachstums vom Wirtschaftswachstum in der Tat noch nicht gelungen, sagte Ottmar Edenhofer. „Aber genau das ist für einen ambitionierten Klimaschutz notwendig: Soll er gelingen, müssten die Emissionen bis zum Jahr 2020 ihren Höhepunkt erreicht haben, um dann zu sinken. Bis 2080 müsste die Weltwirtschaft praktisch CO2-frei sein.“

Diese Transformation sei aber nur möglich, wenn Techniken eingesetzt werden, die neben Chancen auch Schwierigkeiten mit sich bringen - etwa die Kohlenstoffabscheidung und Einlagerung im Untergrund (CCS) und die Nutzung von Biomasse in großem Maßstab. Wachstum berge also Risiken. Aber wirtschaftliches Schrumpfen statt Wachsen, erklärte Edenhofer, würde die Handlungsmöglichkeiten in der Klimakrise verkleinern statt vergrößern. Das Grundproblem sei aber, dass Wachstum in der Zunahme privater Vermögen in den Händen Weniger münde - und Investitionen in Bildung oder den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen zu kurz kämen.

„Die Nutzung der Atmosphäre zum Beispiel ist kostenlos, weshalb Investitionen in emissionsarme Infrastrukturen nicht rentabel sind“, erklärte Edenhofer. „Mit anderen Worten: Wir haben in manchen Bereichen zu viel, in anderen Bereichen zu wenig investiert.“ Es werde höchste Zeit, beim Wachstum umzusteuern. „Wer dies will, benötigt jedoch nicht nur Gaspedal und Bremse, er benötigt vor allem ein Lenkrad", so Edenhofer. "Wenn wir wissen, wohin wir fahren wollen, kann man immer noch über die Geschwindigkeit streiten. Jetzt kommt es auf die Richtung an.“

Die TU Berlin biete mit der Climate Lecture ein einmaliges öffentliches Forum in der deutschen Hauptstadt zu den Themen Klimawandel und Klimaforschung, erklärte Prof. Dr.-Ing. Jörg Steinbach, Präsident der TU Berlin. „Wir holen damit große gesellschaftliche Debatten an den Ort, an den sie gehören - an die Universität - und öffnen die Tür für die Öffentlichkeit.“

Erstmals fand die Climate Lecture dieses Jahr in Form von Rede und Gegenrede statt. Seit 2009 veranstaltet die Technische Universität Berlin gemeinsam mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung die Vorlesungsreihe, Initiator der Climate Lecture ist Prof. Dr. Ottmar Edenhofer. Unterstützt wird sie von dem europäischen Energiekonzern Vattenfall. 

In den Jahren zuvor traten bei der Climate Lecture weltweit renommierte Denker und Forscher auf: Lord Nicholas Stern von der London School of Economics, die für ihre Arbeiten zu Gemeingütern mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Norwegerin Elinor Ostrom, und der Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen UNEP mit Sitz in Nairobi, Achim Steiner.

Gastredner Tim Jackson, Professor an der Universität Surrey, war Berater der britischen Regierung und ist Autor des Erfolgsbuchs „Wohlstand ohne Wachstum“.

Ottmar Edenhofer ist Berater der Weltbank in Fragen des Wachstums und sprach erst kürzlich zu diesem Thema auch in der Enquêtekommission des Bundestags. Er ist außerdem Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change.

Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

  

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