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04.05.2012

Photovoltaik-Ausstieg: Letzte Ausfahrt Bundesrat

Die Photovoltaik Industrie in Deutschland durchlebt ihren größten Boom und ihre erste existenzielle Krise. Und zwar beides gleichzeitig. Die Krise ist mindestens in Teilen hausgemacht von den Ministern Philipp Rösler (FDP) und Norbert Röttgen (CDU). Darauf hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hingewiesen und gleichzeitig den Bundesrat aufgerufen zu dem im Bundestag bereits verabschiedeten Gesetz zur Einschränkung der Solarförderung und Deckelung des Photovoltaik Ausbaus den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel einzuberufen, das Gesetz grundlegend zu überarbeiten. Der Bundesrat entscheidet am kommenden Freitag (11. Mai) über das Gesetz.

Insbesondere fordert die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation, die in dem Gesetz vorgesehene drastische Absenkung des Zubaus der Photovoltaik auf nur noch 900 bis 1.900 Megawatt pro Jahr bis 2017 aufzuheben. Außerdem müsse sich die Höhe der Vergütungskürzungen eng an die Kostenentwicklung der Solarstrom-Module anlehnen und dürfe diese nicht - wie insbesondere in diesem Jahr vorgesehen - deutlich übertreffen. Die Anlagenvergütungsklassen und ihre Vergütungssätze müssten überarbeitet und die Fördergrenze von 10 MW ersatzlos gestrichen werden. Auch das so genannte Marktintegrationsmodell werde seinen Zweck verfehlen und müsse aufgegeben werden. 

„Was Rösler und Röttgen durch den Bundestag gepaukt haben, könnte sich schnell zum nächsten Ausstiegsgesetz entwickeln - aber diesmal geht es nicht um gefährliche Atomkraft, sondern um eine Zukunftstechnologie“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Resch erklärte, die Krise der Photovoltaik Industrie trage auch Elemente einer Konsolidierungskrise, die schnell wachsende Branchen regelmäßig erlitten, insbesondere, wenn starker Druck über internationale Preiskämpfe bei gleichzeitig großen Überkapazitäten aufgebaut würde. „Das alles ist hier auch der Fall, aber zu einer umfassenden Existenzkrise wurde das Ganze erst durch den Versuch der schwarz-gelben Koalition, auf Basis falscher Behauptungen diese Zukunftstechnologie regelrecht außer Landes zu treiben.“ Die Frage sei nicht, ob die Solarindustrie eine Zukunft habe, sondern ob Deutschland dabei bleibe. 

Resch nannte es „vollkommen undenkbar, dass eine Bundesregierung im Fall unter Druck geratener eingesessener Industrien wie der Stahl-, Aluminium- oder Kupferindustrie einfach die Hand in den Schoß legen würde oder gar die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Handstreich zerstört.“ Genau das tue die schwarz-gelbe Koalition aber im Fall der Photovoltaik Ohne die hektische, zusätzliche Verschlechterung der Förderbedingungen und die Deckelung auf einen Bruchteil des gegenwärtigen Zubaus sähe Resch durchaus Chancen, dass sich die Branche wenigstens zu Teilen zurückmelden würde.

Der DUH-Geschäftsführer erinnerte daran, dass das Traditionsunternehmen Wacker Chemie soeben erst im sächsischen Nünchritz eine neue Fertigung für Polysilizium mit 500 neuen Mitarbeitern in Betrieb genommen habe. Auch in anderen Gliedern der Wertschöpfungskette gebe es mittelfristig gute Chancen für die deutsche Photovoltaik Industrie, gegen die Konkurrenz aus Fernost zu bestehen. Der US-amerikanische Hersteller von Dünnschicht-Solarmodulen First Solar sei durch die Begrenzung der Förderung auf Anlagen unter 10 Megawatt regelrecht außer Landes getrieben worden. Resch: „Die Arbeitslosen in Frankfurt/Oder sind die Arbeitslosen von Rösler und Röttgen.“

Die Leiterin Klimaschutz und Energiewende der DUH, Cornelia Ziehm, beklagte, dass die Bundesregierung es zulasse, dass sich immer mehr industrielle Stromverbraucher über die so genannte Besondere Ausgleichsregelung aus der EEG Umlage verabschieden. Dadurch steige massiv die EEG Umlage für Endverbraucher, nicht privilegierte Industrie, Handel und Gewerbe, was anschließend wiederum von der Regierung und manchen Verbraucherschützern der Photovoltaik angelastet werde. „Die Energiewende kann nur gelingen, wenn sich alle beteiligen und nicht die einen für die anderen mitzahlen.“

Skandalös seien auch die Regelungen zur so genannten Eigenerzeugung in Kraftwerken der Industrie, die ebenfalls von der EEG Umlage befreit seien. Eine Übergangsklausel im EEG 2012 habe sogar dazu geführt, dass alte, schmutzige Kohlekraftwerke mit schlechtem Wirkungsgrad wieder in Betrieb genommen worden seien. So verkaufte die RWE AG Block 3 ihres Altkraftwerks Ensdorf an ihre Tochter VSE AG. Die VSE AG verpachtete das Kraftwerk dann an die Saarstahl und Saarschmiede, die wiederum die VSE mit der Betriebsführung beauftragte - und fertig war die Eigenerzeugung. Sie erspart den Konstrukteuren dieses Modells jährlich 25 Millionen Euro EEG Umlage, die nun die normalen Stromkunden bezahlen müssen. Anfragen der DUH zu diesem Fall bei der Bundesnetzagentur bleiben seit Monaten ohne Antwort.

Ziehm: „Besondere Ausgleichsregelung und Eigenstromerzeugung ergeben in diesem Jahr einen Umverteilungseffekt von über vier Milliarden Euro. Er wird nach den neuen Regelungen weiter wachsen, aber nicht einmal die Bundesregierung weiß, in welche Höhe. Sie fährt dabei im Blindflug.“ Für den Fortgang der Energiewende sei die unnötige Erhöhung der EEG Umlage hochgefährlich, weil es ein Ziel der Energiewendegegner sei, die Transformation des Energiesystems als unbezahlbar darzustellen.

Kanzlerin Angela Merkel hatte bereits 2011 erklärt, die Umlage dürfe nicht über 3,5 Cent pro Kilowattstunde (Ct/kWh) steigen. In diesem Jahr liegt sie bei 3,592 Ct/kWh. Ohne die Besondere Ausgleichsregelung, also bei Verteilung der Umlage auf alle Endabnehmer von Strom in Deutschland, die ihren Strom nicht selbst erzeugen, läge der Wert hingegen nach ersten Prognosen bei nur mehr 2,39 Ct/kWh. An die Betreiberinnen und Betreiber von Photovoltaik Anlagen wurden 2011 etwa 47,5 Prozent der Umlage ausgezahlt.

Quelle: Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH)

  

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