Deutsche Umwelthilfe: Szenariorahmen zum Stromnetzausbau „unvollständig und mangelhaft“
Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) begrüßt grundsätzlich die in der im Juni verabschiedeten Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) mit dem Ziel größerer Planungstransparenz vorgesehenen Neuregelungen zum Um- und Ausbaus der Stromnetze. Jedoch sei der von den Übertragungsnetzbetreibern auf Basis der EnWG-Novelle vorgelegte Entwurf eines Szenariorahmens für den Netzentwicklungsplan „unvollständig und in weiten Teilen mangelhaft“.
Nach Überzeugung der DUH verfehlt der Szenariorahmen in der vorgelegten Form in vielen Punkten die gesetzlichen Vorgaben. Weil für zahlreiche Annahmen und Angaben zudem die Quellen fehlen, sei er für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar. In ihrer von der Bundesnetzagentur erbetenen Stellungnahme zu dem Entwurf fordert die DUH deshalb grundlegende Änderungen und Verbesserungen.
„Mit dem am Ende von der Bundesnetzagentur genehmigten Szenariorahmen werden Pflöcke eingeschlagen. Er bestimmt im weiteren Verfahren die energiewirtschaftliche Notwendigkeit, die räumliche Verteilung und das Ausmaß des für die Transformation unseres Energiesystems notwendigen Um- und Ausbaus der Stromnetze. Deshalb müssen wir jetzt, zu Beginn des Verfahrens, sehr genau hinschauen“, erläuterte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake die zentrale Bedeutung des von der Bundesnetzagentur eingeleiteten Konsultationsverfahrens.
Der Szenariorahmen soll nach den Vorgaben des EnWG auf Basis der langfristigen energiepolitischen Ziele der Bundesregierung mindestens drei mögliche Entwicklungspfade umfassen, die die Bandbreite der wahrscheinlichen Entwicklungen der Stromversorgung für die nächsten zehn - und in einem zusätzlichen Szenario für die nächsten 20 Jahre - abdecken. Dass die von der Bundesregierung in jüngster Zeit verabschiedeten Beschlüsse zum Ausbau der Erneuerbaren Energien, zum Ausstieg aus der Atomenergie und zum Klimaschutz Grundlage und Ausgangspunkt des nur sieben Seiten umfassendenPapiers der Netzbetreiber waren, ist jedoch für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar. Zum Teil stehen die Annahmen sogar in offenem Gegensatz zu den Beschlüssen der Regierung und beziehen sich stattdessen auf umstrittene wissenschaftliche Gutachten.
Aussagen, ob und wie mit den gewählten Szenarien die Klimaschutzziele der Regierung erreicht werden können, fehlen völlig. Zwar finden sich dort Annahmen über die installierte Leistung der unterschiedlichen Stromerzeugungsformen (Erneuerbare Energien, Kohlekraftwerke, Gaskraftwerke ...), nicht jedoch darüber, wie viel Kilowattstunden die jeweiligen Energieträger zum nationalen Strommix beitragen sollen. Für das Erreichen oder Verfehlen der Klimaschutzziele ist jedoch nicht die installierte Kraftwerksleistung maßgeblich, sondern allein die Frage wie viele Stunden im Jahr die Kraftwerke Strom erzeugen.
Stillschweigend gingen die Übertragungsnetzbetreiber in ihren Szenarien davon aus, dass Gaskraftwerke, die aus Altersgründen vom Netz gehen, stets am selben Ort durch Neuanlagen ersetzt werden. Es sei jedoch unter den Bedingungen des auch von der Bundesregierung angestrebten Eintritts in das Zeitalter der Erneuerbaren Energien von klarem Vorteil, wenn flexible Gaskraftwerke gezielt in Regionen errichtet werden, wo sie die schwankende Einspeisung von Wind- und Sonnenenergie am besten ausgleichen können, so die DUH.
„Die Entwicklung des Netzplanes ist eine Optimierungsaufgabe. Ziel der Optimierung ist nicht: so viel Netzausbau wie möglich, sondern so viel Netzausbau wie nötig“, erläuterte Baake. Dabei spiele die Standortwahl für noch notwendige Gaskraftwerke ebenso eine zentrale Rolle, wie die Annahmen über Kapazität und Standorte künftiger Stromspeicher. Beispielweise sei in dem Szenariorahmen der Netzbetreiber nicht erkennbar ob und inwieweit konkrete Planungen für Pumpspeicherkraftwerke, die unter anderem mehrere Stadtwerke derzeit durchführen, berücksichtigt wurden. Mit der Einführung neuartiger Stromspeicher, zum Beispiel in Form von Methan oder Wasserstoff aus Überschussstrom aus Erneuerbaren Energien oder der vieldiskutierten Integration der Elektromobilität in die Stromversorgung, werde nach 2020 gerechnet. Annahmen darüber fehlen jedoch auch in dem Szenario, das die nächsten 20 Jahre umfasst.
Die DUH vermisst im Szenariorahmen außerdem die Berücksichtigung der „Schlüsselfrage Energieeffizienz“, die sich die Bundesregierung in ihrem Energiekonzept aus dem Herbst 2010 auf die Fahnen geschrieben habe. Im 20-Jahre-Szenario wird sogar ein „erhöhter Energiebedarf“ (allerdings ohne „Steigerung der Höchstlast“) angenommen. „Der Szenariorahmen impliziert, dass die Bundesregierung mit den in ihrem Energiekonzept vorgestellten Maßnahmen zur Energieeffizienz scheitert. Begründet wird diese Prognose allerdings nicht“, erklärt der Leiter des Projekts „Forum Netzintegration“ der DUH, Peter Ahmels. Auch Annahmen zu einem intelligenten Lastmanagement, das künftig zur Senkung von Lastspitzen führen kann und im Ergebnis zu einem Minderbedarf an neuen Kraftwerken und Stromtrassen, werden im Szenariorahmen nicht untersucht.
Ahmels: „Der Szenariorahmen verfehlt sein Ziel, wenn er nicht neben den energiewirtschaftlichen Notwendigkeiten auch die Schutzinteressen von Anwohnern und Natur angemessen berücksichtigt. Wenn dies im Rahmen des laufenden Konsultationsverfahren nicht korrigiert wird, steht uns die nächste zugespitzte Akzeptanzdebatte ins Haus.“
Nach Überzeugung der DUH ist es für die weitere Debatte über die Energiezukunft in Deutschland entscheidend, dass die Bundesnetzagentur am Ende des laufenden Konsultationsverfahrens einen Szenariorahmen genehmigt, der die genannten Kritikpunkte korrigiert.
Die vollständige Stellungnahme finden Sie hier.
Quelle: Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH)
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