Universität Zürich: Erderwärmung lässt Gletscher verschwinden
Gletscher gelten als hervorragende Indikatoren für die Klimaveränderung. Forscher der Universität Zürich haben jetzt in einem Modellexperiment nachgewiesen, welche Auswirkungen die Erderwärmung für das Ende des 21. Jahrhunderts haben könnte. Ergebnis: Steigen die Sommertemperaturen in den nächsten hundert Jahren um 3 Grad Celsius, verlieren die Gletscher in den Europäischen Alpen 80 Prozent ihrer Eisfläche. Bei einer Erwärmung um 5 Grad Celsius würden die Alpen praktisch eisfrei werden.
Durch ihre physikalische Nähe zum Schmelzpunkt zählen Gletscher zu den besten natürlichen Klimaindikatoren. Rapide schwindende Gletscherflächen, spektakuläre Rückzüge der Gletscherzungen und zunehmende Massenverluste sind klare Zeichen der atmosphärischen Erwärmung in den Alpen während der vergangenen 150 Jahre. Dass sich diese in den vergangenen 20 Jahren sogar noch beschleunigte, ist ebenso dramatisch zu bewerten, wie der Verlust von weiteren 5 bis 10 Prozent des verbliebenen Eisvolumens im außerordentlich warmen Jahr 2003.
Wie sich die Klimaveränderungen auf die Alpine Vergletscherung in den nächsten hundert Jahren auswirken könnten, hat Michael Zemp vom Geografischen Institut der Universität Zürich untersucht. Aus seinen Modellberechnungen resultiert, dass ein Anstieg der Sommertemperatur (April bis September) um 3 Grad die Alpine Gletscherbedeckung der Referenzperiode (1971–1990) um ungefähr 80 Prozent reduzieren würde. Konkret würde dies bedeuten, dass dann nur noch zirka 10 Prozent der Gletscherausdehnung von 1850 die Erde bedecken würden. Würden die Sommertemperatur gar um 5 Grad ansteigen, wären die Alpen praktisch eisfrei.
Dass diese Temperaturen keinesfalls unrealistisch sind, zeigen die Zahlen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC): Ein Anstieg der Sommertemperatur von plus 1 bis plus 5 Grad und eine Niederschlagsänderung von minus 20 bis plus 30 Prozent ist für das Ende des 21. Jahrhunderts ein realistisches Szenario.
„Unsere Studie zeigt, dass unter solchen Szenarien die Mehrheit der Alpengletscher in den nächsten Jahrzehnten verschwinden könnte“, so Michael Zemp von der Universität Zürich. Bei einem Anstieg der Sommertemperatur von mehr als 3 Grad würden nur die größten Gletscher wie zum Beispiel der Große Aletschgletscher und jene in den höchsten Regionen der Alpen bis ins 22. Jahrhundert bestehen bleiben.
„Gerade in den dicht besiedelten Gebirgsregionen wie den Europäischen Alpen müsste man sich deshalb Gedanken machen, welche Folgen ein extremer Gletscherschwund auf den hydrologischen Kreislauf, die Wasserwirtschaft, den Tourismus und Naturgefahren hätten“, so der Glaziologe Zemp. So sei etwa damit zu rechnen, dass Bergbäche im Sommer vermehrt trocken sein werden, da die Funktion der Gletscher als Wasserspeicher wegfalle. Dies werde sich negativ auf die Fischpopulationen auswirken und auch die Betreiber von Wasserkraftwerken wenig erfreuen. Vor Eislawinen werde man sich zwar nicht mehr fürchten müssen, zunehmen dürften dafür Felsstürze und Lawinen an den nun freiliegenden und nicht mehr gestützten Seitenhängen der ehemaligen Gletscher.
Die komplette Studie erscheint am 15. Juli 2006 in der Zeitschrift „Geophysical Research Letters“.
Quelle: Geografisches Institut der Universität Zürich
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