Kleine „Solarkraftwerke“ mit großer Benutzerfreundlichkeit
Steigende Energiekosten werden Hausbesitzerinnen und -besitzer in Deutschland vielleicht schon bald keine Bauchschmerzen mehr bereiten. Zukünftige Häuser könnten kleine „Solarkraftwerke“ werden, die über Fotovoltaik Elemente und solarthermische Kollektoren mehr Energie erzeugen, als die Bewohnerinnen und Bewohner verbrauchen können. „Der Überschuss kann ins Netz eingespeist werden“, sagt Barbara Gehrung vom Fachbereich Architektur an der Technischen Universität Darmstadt. Zusammen mit zwei Kolleginnen leitete die Diplomingenieurin ein Team von 25 Architekturstudent/innen, das den Prototyp eines futuristischen, komplett Energie autarken Sonnenhauses entworfen und gebaut hat.
Das Solar-Haus hat eine Grundfläche von 75 Quadratmetern, breite Fensterfronten aus Glas und eine Lamellenfassade, die gleichzeitig Schatten spendet und durch integrierte Fotovoltaik Energie gewinnt. Es gehört seit Dienstag offiziell zu den „Ausgewählten Orten 2007“ der Standortinitiative „Deutschland - Land der Ideen“. Und es darf sich im Oktober vor dem Weißen Haus in Washington beim internationalen Bauwettbewerb „Solar Decathlon“ (Solarer Zehnkampf) des US-Energieministeriums in zehn Disziplinen mit 19 Mitbewerbern behaupten.
Neben dem Darmstädter Projekt schickt Europa nur noch ein Team aus Madrid ins Rennen, zwei Teilnehmer kommen von Hochschulen aus Puerto Rico und Kanada, 16 aus den USA. Zum dritten derartigen weltweiten Hochschul-Zehnkampf, mit dem das US-Energieministerium die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren will, werden 150.000 Besucherinnen und Besucher auf der National Mall in Washington erwartet.
„Bewertet werden nicht nur das Energie- und Technikkonzept, sondern auch Ästhetik, Vermarktungsstrategien oder die Energiebilanz“, erklärt Gehrung. Zwei Mal täglich müsste Wasser innerhalb von zehn Minuten aus exakt 43,3 Grad Celsius erhitzt werden, die Raumtemperatur müsse konstant zwischen behaglichen 22 und 24 Grad Celsius liegen, und alle Haushaltsgeräte vom Kühlschrank über den Wäschetrockner bis zum Fernseher müssten über die Haus eigenen Quellen mit Strom und Wärme versorgt werden. Mit der überschüssigen Energie muss ein Elektroauto auf einer möglichst langen Strecke betrieben werden.
Dem Sieger oder der Siegerin des Wettbewerbs winkt zwar weder ein Geldgewinn noch ein attraktiver Auftrag. Doch auch die internationale Ehre ist wichtig, findet Gehrung. Als einzige Vertreterin aus Deutschland, dem Land mit der höchsten installierten Fotovoltaikleistung, den führenden Unternehmen der Branche und einer strengen Gesetzgebung, sei die Erwartungshaltung sehr hoch.
Das Darmstädter Projektteam ist stolz darauf, sein „Year 2015 Prototype Home“ auch mit reichlich „Wohnkomfort und Benutzerfreundlichkeit“ ausgestattet zu haben. Denn das Zwei-Personen-Haus ist mit 54 Quadratmetern Netto-Nutzfläche zwar klein, aber dank eines doppelten Bodens können alle Möbel komplett unter dem Fußboden verstaut werden, Küche und Bad lassen sich zumindest verkleinern. Das komplette Flachdachhaus lässt sich in Module zerlegen und transportieren und ist außerdem in Schichten aufgebaut: Je nach Bedarf kann es durch verschiebbare Holzlamellen abgedunkelt werden, eine hochdämmende transparente Fassadenschicht dient als thermische Hülle.
„50 Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland werden in und mit Gebäuden verursacht“, sagt Gehrung. Gebe es nur noch Plus-Energie- Häuser, die mehr Energie erzeugen als in dem Haushalt verbraucht wird, müsste sich niemand mehr um die Energieversorgung sorgen. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Wie die Darmstädter Projektleiterin Andrea Georgi-Tomas betont, kostet das Projekthaus derzeit noch stolze 400.000 Euro. Allerdings könne sich der Preis bei Serienfertigung schon bis 2015 halbieren. Stromrechnungen wären dann für den Hausbesitzerinnen und -besitzer für immer passé.
Quelle: dpa, verivox
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