Energie 2.0: Leben im Mini-Kraftwerk?
In den Städten von morgen reinigen Fassaden die Luft, Gebäude fungieren als dezentrale Mini-Kraftwerke, Bauwerke reparieren sich an sensiblen Stellen selbst, Häuser passen sich an die Lebensumstände der Bewohnerinnen und Bewohner an. Was wie Zukunftsmusik klingt, wird auf der BAU 2013 vom 14. bis 19. Januar 2013 Realität: Unter dem Stichwort „Energie 2.0“ beschäftigt sich die Weltleitmesse für Architektur, Materialien, Systeme mit der Energiewende beim Planen und Bauen.
Die „Energiewende“ bezeichnet nicht nur die Abkehr von fossilen Energieträgern und die Hinwendung zu regenerativen Energien. Es steht auch allgemein für die Notwendigkeit, Energie zu sparen und Energie zu gewinnen. Wie die politischen Rahmenbedingungen dafür aussehen und wie man sie durch technologischen Innovationen umsetzen kann, zeigt die BAU 2013 unter dem Stichwort „Energie 2.0“. Im Rahmenprogramm und auf den Ständen vieler Aussteller geht es darum, welche Folgen die Energiewende für das Planen und Bauen hat.
Wenn es ums Energiesparen geht, steht die Bau- und Immobilienwirtschaft besonders in der Pflicht. Weltweit werden 40 Prozent der gesamten Energie durch das Heizen, Lüften und Beleuchten von Gebäuden verbraucht. Die EU will das ändern und hat deshalb ihre Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden novelliert. Demnach sollen ab 2020 alle Neubauten als Nullenergie- bzw. Plusenergiehäuser geplant und gebaut werden.
Ein Haus als Kraftwerk, das mehr Energie produziert als seine Bewohnerinnen und Bewohner verbrauchen und überschüssige Energie an das Elektroauto in der Garage abgibt, ist auch das Ideal von Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS). Er fasst seine Vision in vier Worten zusammen: „Mein Haus – meine Tankstelle“. Wie das in der Praxis funktioniert, kann man am Beispiel eines Modellhauses des BMVBS in der Berliner Fasanenstraße 87 a besichtigen. Dort wohnt eine vierköpfige Familie im „Energie-Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität“. Ob das Wohnen im Mini-Kraftwerk künftig nicht nur auf Vorzeigeobjekte beschränkt sein wird, muss sich erst noch zeigen.
Das größte Potenzial zur Energieeinsparung bietet allerdings nicht der Neubau, sondern die energetische Sanierung des Gebäudebestandes. Drei Viertel aller Gebäude in Deutschland wurden gebaut, ehe es überhaupt Vorschriften zum energiesparenden Bauen gab. Das 2010 verabschiedete Energiekonzept der Bundesregierung sieht vor, dass jedes Jahr zwei Prozent der Gebäude, die älter als 30 Jahre sind, energetisch saniert werden.
Das CO2 Gebäudesanierungsprogramm stellt dafür aktuell Mittel von 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung. Umgerechnet stünden damit für die Sanierung eines einzelnen Gebäudes Fördermittel von 5.100 Euro bereit. Die Komplettsanierung des Gebäudebestandes in Deutschland wäre 2062 abgeschlossen.
Für Elektrogeräte ist es bereits vorgeschrieben: das EU-Energielabel soll Auskunft über die Energieeffizienz von Waschmaschinen oder Geschirrspülern geben und so den Kunden bei der Kaufentscheidung unterstützen. Ulrich Sieberath, Leiter des ift-Rosenheim, ist sich sicher: „Die energetische Kennzeichnung wird auch für Fenster kommen“. Das Problem: „Fenster sind keine Waschmaschinen.“ Bei der Kennzeichnung müssten auch klimatische Randbedingungen, etwa die Lage eines Gebäudes (Nord- oder Südlage) berücksichtigt werden. Sieberath sieht in einem Energy Label für Bauelemente wie Fenster aber auch die Chance, „den Endverbraucher zu erreichen und das Image des Fensters als Solarkraftwerk zu verbessern.“
Auf der BAU 2013 wird das ift sein eigenes Energy Label vorstellen, ein webbasiertes Rechentool, das eine standortunabhängige energetische Bewertung von Fenstern zulässt. So können Fensterhersteller und Handelsunternehmen den Bauherren erläutern, welches Einsparpotential ein Fenstertausch bietet.
Umweltproduktdeklarationen (englisch: „Environmental Product Declarations“, EPD) gibt es seit einigen Jahren in verschiedenen europäischen Ländern. Sie bewerten Bauprodukte hinsichtlich ihrer Ökobilanz und sind damit ein wichtiger Baustein, wenn es um die Nachhaltigkeit von Gebäuden geht. EPDs machen Aussagen zum Energie- und Ressourceneinsatz und beurteilen darüber hinaus, inwiefern ein Produkt zu Treibhauseffekt Versauerung, Überdüngung, Zerstörung der Ozonschicht und Smogbildung beiträgt. Außerdem werden Angaben zu technischen Eigenschaften wie Lebensdauer, Wärme- und Schallisolierung oder den Einfluss auf die Qualität der Innenraumluft gemacht.
Die deutsche EPD (Umweltdeklaration Typ III) für Bauprodukte entsteht im Institut Bauen und Umwelt e.V. (IBU), einer Vereinigung von Bauprodukte-Herstellern. Auf der BAU 2013 wird das IBU in Kurz-Workshops und Mini-Vorträgen über die wesentlichen Sachverhalte rund um das Thema EPD informieren. Dann gibt es vielleicht auch eine Antwort darauf, wann eine für ganz Europa gültige und einheitliche EPD kommen wird.
Die technologische Umsetzung der Energiewende stellt nicht nur Planer/innen und Architekt/innen, sondern vor allem die Hersteller/innen von Bauprodukten und –Materialien vor neue Herausforderungen. Optimierungspotenziale für die Energieeffizienz von Gebäuden bietet in erster Linie die Gebäudehülle. Bei Fenstern und Fassaden gibt es noch ausreichend Spielraum für technologische Innovationen.
Entsprechende Lösungen, die auch auf der BAU 2013 zu sehen sein werden, bieten nach Einschätzung des ift Rosenheim Technologien wie: Wärmetechnisch optimierte Fensterprofile, Verglasungen, Baukörperanschlüsse oder Vakuumpaneele, Energiegewinnung mit Verglasung und Photovoltaik Sonnenschutzsysteme zur Reduzierung der Kühllasten, Tageslichtlenkung, dezentrale Lüftungstechnik und Energiespeicherung mit Phase-Change-Materialien.
Ift-Kommunikationsleiter Jürgen Benitz-Wildenburg sagt vor allem der gebäudeintegrierten Photovoltaik beispielsweise Fenstern mit photovoltaischem Glas, eine große Zukunft voraus: „Das ist eine Zukunftstechnologie, die den Fassadenmarkt komplett verändern wird. Solche Bauteile können neben der Stromerzeugung auch weitere Funktionen wie Sonnen-, Schall- oder Wärmeschutz übernehmen.“
Das Leitthema Energie 2.0, das sich die BAU 2013 auf die Fahnen geschrieben hat, zieht sich wie ein roter Faden durch die Messehallen. Es spiegelt sich in Produkten und Technologien wider, die Energie sparen oder generieren sollen. Die BAU arbeitet mit zahlreichen Institutionen zusammen, die sich mit dem Thema Energiewende und deren Auswirkungen beim Planen und Bauen beschäftigen, darunter das BMVBS, die Fraunhofer Allianz BAU, das ift, das IBU und die DGNB, um nur einige zu nennen.
Diese Partner der BAU werden sich auf der BAU 2013 mit einem Stand präsentieren und dort das Thema Energie jeweils aus ihrem Blickwinkel thematisieren. Auch im Rahmenprogramm der BAU, in Foren und Sonderschauen, wird das Thema „Energie 2.0“ in all seinen Facetten die Hauptrolle spielen. Gleich an mehreren Tagen beschäftigen sich beispielsweise die großen BAU-Foren in den Hallen C2 und A 6 mit der energetische Zukunft unserer Städte, der intelligenten Vernetzung und Verteilung von Energie und den Auswirkungen des Klimawandels auf die Architektur.
Mehr unter www.bau-muenchen.com
Quelle: Messe München GmbH, Fraunhofer-Gesellschaft
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