Artikel vom 11.08.2006, Druckdatum 15.11.2024

Rechenkünstler, Profi-Hinhalter und andere Trittbrettfahrer

Die Solarbranche boomt. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) spricht vom „Solar Valley“ Deutschland. Es herrscht eine Art Goldgräberstimmung und die lockt regelmäßig auch diejenigen an, die sich in diesem Umfeld einen schnellen Euro erhoffen. Und damit eine ganze Branche in Verruf bringen. Die Fotovoltaikshop GmbH (Bad Wurzach) weist deshalb auf einige negative Vorfälle der jüngsten Zeit hin, um auch andere seriöse Marktteilnehmer vor eventuellem Schaden zu bewahren.

Günter Dach (Name geändert) freut sich über seine neue Fotovoltaikanlage. 80 Module mit einer jeweiligen Leistung von 160 Watt sollen nun für ihn Strom produzieren. Allerdings hatte er sich ein wenig mehr Ertrag erhofft. Weil der dauerhaft hinter seinen Erwartungen zurück bleibt, macht er sich auf die Suche nach Informationen zu den installierten Modulen. Auf der Moduldatenbank der Fotovoltaikshop GmbH wird er fündig: Dort sind alle Kennzahlen seiner Module nachzulesen. Was ihn stutzig macht, ist, dass die Datenbank lediglich 120 Watt Leistung je Modul ausweist. Jetzt will er es genau wissen. Er setzt sich mit Thomas Wiest, Geschäftsführer der Fotovoltaikshop GmbH in Verbindung.

Wie sich herausstellt, sind die Module auf Günter Dachs Dach tatsächlich von dieser Firma. Nur dass Günter Dach seine Anlage nicht dort erworben hat, sondern von der Horst Listig Ltd. (Name geändert), einem Zwischenhändler. Diesem Horst Listig hatte der Fotovoltaikshop vor nicht allzu langer Zeit zweimal jeweils 40 Solarmodule à 120 Watt geliefert. Wie üblich, in einwandfreiem Zustand und einschließlich der Messprotokolle des Herstellers. Auch diese wiesen (mit der üblichen Leistungstoleranz des Herstellers von plus/minus 3 bis 5 Prozent) 120 Watt Nennleistung für jedes einzelne Modul aus. Wie also waren aus gelieferten und korrekt gekennzeichneten 120 Watt Modulen bei Herrn Listig 160 Watt Module geworden?

Nun, für diese Frage interessierte sich auch bald die Staatsanwaltschaft. Die fand schnell heraus, dass die Horst Listig Ltd. schon die zweite Firma des Herrn Listig ist. Seine erste hatte er zwei Jahre zuvor insolvent gemeldet und die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Und sie fand außerdem heraus, dass Herr Listig vor allem ein Rechenkünstler ist. 

Seiner Version nach verhält sich die Sache mit den Modulen auf dem Dach von Herrn Dach nämlich so: Es stimme zwar, dass er vom Fotovoltaikshop Module mit einer Nennleistung von 120 Watt erworben habe. Und ebenso entspreche es den Tatsachen, dass er eben genau diese Module an Herrn Dach als 160 Watt Module weiterverkauft habe. Er könne darin aber nichts unredliches erkennen, denn schließlich habe er Herrn Dach darauf hingewiesen, dass die Leistung von Solarmodulen schwanke. Deshalb würde er ja in seinen Kaufverträgen für seine „160 Watt“-Module nur eine Leistung zwischen 80 und 100 Prozent garantieren. Und 80 Prozent von 160 Watt seien ja in etwa 120 Watt rechnete Herr Listig listig vor.

Der Richter wollte diesen rechnerischen Ausführungen dann doch nicht so ganz folgen. Er kam zu dem Schluss, dass Herr Listig die mitgelieferten Messprotokolle in unlauterer Absicht gefälscht hat und sich aus dieser Manipulation einen Preisvorteil verschafft hat. Das Ganze nennt man auch Betrug und deshalb wurde Herr Listig zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Den Schaden hat jetzt Günter Dach, der für eine schwächere Anlage teures Geld bezahlt hat. Und von Herrn Listig keinen Schadensersatz erhalten wird. Denn der ist mittlerweile auch mit seiner Horst Listig Ltd. insolvent.

Mit dem Geld anderer Leute arbeiten auch die Hinhalter, eine weitere Subkultur eines boomendes Marktes. Sie blüht dort am besten, wo die Nachfrage das Angebot übersteigt und Händler auf einem beinahe leer gefegten Markt händeringend nach Ware Auschau halten. Wie derzeit in der Solarbranche. Zwar entspannt sich die Lage langsam, aber immer noch ist Silizium knapp und die Lieferzeiten von Solarmodulen lang. Diese langen Lieferzeiten und die nach wie vor hohen Preise von Solarmodulen machen sich die Hinhalter zunutze.

Zunächst bietet der Hinhalter dem Händler eine größere Stückzahl an Markenmodulen an. Der Händler prüft das Angebot, klopft vielleicht die Anbieterfirma noch ein wenig ab, und wenn ihm nach seinen Erkenntnismöglichkeiten alles seriös erscheint, greift er wahrscheinlich zu. Siehe Angebot und Nachfrage. Da es sich meist um größere Investitionsbeträge handelt – 100.000 bis 150.000 Euro sind hier keine Seltenheit – ist es üblich, dass der Händler dem Lieferanten Vorkasse leistet. Der Lieferant nennt dann den Liefertermin und der Händler beginnt mit dem Verkauf der Module.

Dann wirds spannend. Denn nun beginnt die „Märchenphase“. Je näher der Liefertermin rückt, umso wahrscheinlicher wird es, dass der Händler einen Anruf von seinem Lieferanten erhält. Und der erzählt ihm dann etwas von kaputten Schiffsschrauben des Containerschiffs, das die Ladung bringen sollte. Oder davon, dass der „Container aus Amerika“ nicht gekommen sei. Oder dass ihm die falsche Ware geliefert worden wäre und statt der georderten Markenmodule irgendwelche no-name-Module gekommen seien. Oder etwas Ähnliches. Klar ist: Der Händler bekommt die Ware nicht zum vereinbarten Zeitpunkt. Der Hinhalter aber hat bereits seit einigen Wochen das Geld des Händlers auf seinem Konto.

Jetzt schlägt der Hinhalter den nächsten Haken: Er bietet an, die Ware zu tauschen. Sie zurückzusenden und auf die „richtige“ Lieferung zu warten. Oder neue Ware zu ordern (und einen entsprechenden neuen Liefertermin zuzusagen). Gerne wird auch ein „Kulanzzuschlag“ angeboten: Weil der Händler solche Unannehmlichkeiten mit der Lieferung habe, bekomme er – „selbstverständlich zum selben Preis“ – statt der vereinbarten 205 Watt Module 210 Watt Module. Oder etwas Ähnliches. Klar ist auch hier: Der Hinhalter erhält weitere Zeit, in der er mit dem Geld des Händlers arbeiten kann.

Falls der Händler an diesem Punkt aus dem „Spiel“ aussteigen will, wirds schwierig. Denn der Hinhalter denkt gar nicht daran, das Geld des Händlers so schnell wieder herauszurücken. Wozu ist er schließlich Profi-Hinhalter? Dem Händler bleibt an dieser Stelle nur, sich weiter hinhalten zu lassen oder einen Anwalt einzuschalten. Aber bis es dann je wirklich eng für den Hinhalter wird, vergeht noch eine ganze Menge Zeit. Das weiß auch der Profi-Hinhalter.

„Für uns seriöse Marktteilnehmer sind diese ,Goldgräber’ ein echtes Problem“, sagt der Geschäftsführer der Fotovoltaikshop GmbH, Thomas Wiest. „Sie verunsichern die Endkunden und beschädigen den Ruf einer ganzen Branche. Im schlimmsten Fall verzögern sie die notwendige zügige Durchsetzung der erneuerbaren Energien gegenüber den fossilen Energieträgern. Weil die Menschen dann aus Unsicherheit doch lieber auf Altbekanntes zurückgreifen.“

Quelle: Fotovoltaikshop GmbH
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