Artikel vom 20.07.2011, Druckdatum 15.11.2024

PHOTON: Photovoltaik verursacht Preiseinbruch an Strombörse

Der 16. Juli 2011 geht nach Ansicht des Fachmagazins PHOTON in die Geschichte der deutschen Stromwirtschaft ein. Am vergangenen Samstagnachmittag ist der Strompreis am Spotmarkt der Strombörse EEX auf das niedrige Preisniveau von Nachtstrom eingebrochen. Nur 2,5 Cent je Kilowattstunde musste für eine Stromlieferung in der Zeit zwischen 14 und 15 Uhr bezahlt werden. Üblich sind am Wochenende zu dieser Tageszeit Strompreise, die etwa doppelt so hoch sind wie der (billige) Nachttarif. PHOTON hatte diese Auswirkung eines hohen Photovoltaik Zubaus bereits 2008 prognostiziert.

Wer am 16. Juli die Entwicklung der Strompreise an der EEX verfolgt hat, konnte Folgendes beobachten: Immer dann, wenn weniger als 31 Gigawatt konventioneller Kraftwerksleistung benötigt wurden, brach der Strompreis ein. Die tiefsten Werte wurden zwischen 5 und 6 Uhr morgens mit 2,3 Cent je Kilowattstunde sowie 14 und 15 Uhr nachmittags mit 2,5 Cent erreicht – rund die Hälfte des Tageshöchstwertes. 

Während der niedrige Nachtwert der geringen Nachfrage zu dieser Zeit geschuldet ist, ist der niedrige Nachmittagswert ein neues, durch die Photovoltaik verursachtes Phänomen, so Photon in einer Pressemitteilung. Ganz offensichtlich konnte in diesen Zeiten die Nachfrage durch Grundlastkraftwerke (laufende Kosten bei zwei bis drei Cent) sowie 12 Gigawatt Solarenergie und sechs Gigawatt Windkraft (keine laufenden Kosten) gedeckt werden.

Für die Zukunft ist nach Ansicht von Photon bei einem weiteren Ausbau der Photovoltaik zu erwarten, dass die Börsenpreise in den Sommermonaten tagsüber während immer längerer Zeiträume unter das Niveau der Nachtpreise fallen. Private Stromkundinnen und -kunden werden laut Photon von dieser Entwicklung jedoch nur mit einiger Verzögerung profitieren: Da Stadtwerke typischerweise jedes Quartal ein Zwölftel ihres zukünftigen Strombedarfs einkaufen, kann es bis zu drei Jahre dauern, bis die geringeren Strompreise an der Strombörse vollständig bei den Kundinnen und Kunden angekommen sind.

Interessant wird es für Verbraucherinnen und Verbraucher dann, wenn Stromversorger Tarife anbieten, die sich im Tagesverlauf an den Preisen der Strombörse orientieren. Anders als in der Vergangenheit wird der Niedrigtarif dann nicht mehr nur in der Nacht, sondern auch zur Mittagszeit angeboten werden können, während der Hochtarif nur noch am frühen Morgen und am Abend greift.

Die großen Stromabnehmer aus der Industrie haben die Möglichkeit, sofort von dieser Entwicklung zu profitieren: Sie kaufen den Strom oft selber oder über Händler an der Börse ein und können ihr Einkaufsverhalten kurzfristig anpassen. „Alle Prognosen über drastisch steigende Strompreise aufgrund des EEG für dieses Kundensegment straft die aktuelle Entwicklung an den Strombörsen Lügen“, so Philippe Welter, Herausgeber von Photon.

Werden teure Spitzenlastkraftwerke zur Mittagszeit nicht mehr benötigt, führt dies für Betreiber konventioneller Kraftwerke zu massiven Gewinneinbrüchen. Denn nach den Regeln der Strombörse erhalten die Kraftwerksbetreiber nicht den Preis, der ihrem ursprünglichen Angebot entspricht, sondern alle Anbieter die zum Zuge kommen, erhalten den Preis, den der jeweils teuerste benötigte Anbieter verlangt hat. So konnten die vier großen Kraftwerksbetreiber EnBW, Eon, RWE und Vattenfall jahrelang hohe Gewinne realisieren, indem sie insbesondere zur Mittagszeit – traditionell die Zeit der höchsten Nachfrage – billigen Grundlaststrom sehr teuer verkauften.

Welter: „Der hohe Photovoltaik Zubau wird dazu führen, dass künftig zur Mittagszeit an den meisten Wochentagen von April bis September an der Börse keine übermäßigen Gewinne zu Lasten der Verbraucher mehr erzielt werden können.“

Der schnelle Ausbau der Photovoltaik beruht auf der im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) garantierten festen Einspeisevergütung für Solarstrom. In der aktuellen EEG Novelle hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen jedoch jetzt das Element der sogenannten optionalen Marktprämie als Vergütungsbestandteil auf den Weg gebracht. Damit wolle man die Erneuerbaren Energien an den Markt heranführen, so die Begründung.

„Röttgen verkennt, dass es schlicht nicht möglich ist, auf lange Sicht an der Börse einen höheren Preis als den der variablen Kosten der letztverbleibenden konventionellen Kraftwerke zu erzielen“, so Philippe Welter. Eine „Prämie“, die die Betreiber von Windkraft- und Photovoltaikanlagen dazu animieren soll, zugunsten einer eventuell höheren Vergütung aufgrund hoher erwarteter Börsenpreise auf die feste, an den Kosten orientierten Einspeisevergütung zu verzichten, laufe daher zwangsläufig ins Leere. Jeder Anlagenbetreiber könne spätestens seit dem 16. Juli 2011 erkennen, dass an der Börse immer dann niedrige Preise vorherrschen werden, wenn Solar- und Windkraftanlagen besonders viel Strom produzieren, so Photon abschließend.

Quelle PHOTON Europe GmbH
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