Effizientes Chaos in den Solarzellen?
In polykristalliner Form weisen Dünnschichtsolarzellen auf CIS-Basis (wie z.B. Kupfer-Indium-Sulfid und Kupfer-Indium-Selenid) höhere Effizienzen auf als in der monokristallinen Form. Forscherinnen und Forscher des Berliner Hahn-Meitner-Instituts haben nun erstmals einen Nachweis geliefert, der dieses Phänomen erklären könnte: Sie entdeckten so genannte „neutrale“ Korngrenzen, die für den Ladungstransport einen entscheidenden Effekt haben könnten.
Die meisten heutzutage eingesetzten Halbleiter, wie z.B. Computerchips, sind monokristallin, das heißt sie bilden ein einheitliches, homogenes Kristallgitter. Auch die effizientesten Solarzellen aus Silizium sind monokristallin. Im Gegensatz dazu bestehen polykristalline Schichten aus vielen kleinen Einzelkristallen, die durch so genannte „Korngrenzen“ voneinander getrennt werden. Polykristalline Schichten sind deutlich einfacher und kostengünstiger zu produzieren. Daher konzentriert sich die Entwicklung von preiswerten Solarzellen zunehmend auf polykristalline Materialien.
In polykristallinen Materialien bilden sich Korngrenzen, wenn zwei Kristalle aufeinander stoßen. Diese Korngrenzen sind Kristallstörungen und bilden elektrisch geladene Defekte. Für die Qualität der Bauelemente sind sie schädlich, da sie die Anzahl der vom Licht generierten Ladungsträger durch Rekombination reduzieren: Zwei Ladungsträger mit entgegengesetzten Vorzeichen treffen aufeinander und „löschen sich aus“, so die Berliner Forscher. Diese rekombinierten Ladungsträger können nicht mehr zum elektrischen Strom beitragen. Außerdem stellen Korngrenzen eine Barriere für den Ladungstransport dar.
Im Hahn-Meitner-Institut in Berlin wurde jetzt herausgefunden, dass auch Korngrenzen, die keine elektrische Ladung aufweisen, eine Barriere darstellen. An speziell dafür gezüchteten Kristallen haben die Forscherinnen und Forscher um Projektleiterin Dr. Susanne Siebentritt nun erstmals überhaupt eine so genannte „neutrale“ Korngrenzenbarriere nachgewiesen. Erstaunen löste der Umstand aus, dass diese neutralen Grenzen ebenfalls ein Hindernis für den Ladungstransport bilden: „Bisher gingen wir davon aus, dass nur geladenen Korngrenzen eine Barriere darstellen. Dass neutrale Grenzen ebenso ein Hindernis für den Ladungstransport darstellen, könnte weit reichende Konsequenzen haben“, berichtet Dr. Sascha Sadewasser, Mitentdecker der neuen Struktur.
Die neutrale Korngrenzenbarriere könnte einer der Gründe sein, warum in Chalkopyriten (so genannten CIS-Zellen wie beispielsweise Kupfer-Indium-Sulfid und Kupfer-Indium-Selenid) unerwarteterweise polykristalline Solarzellen effizienter sind als einkristalline: An der Barriere wird wahrscheinlich die Rekombination unterdrückt. Dadurch käme es in der Folge an den Korngrenzen nicht zur gegenseitigen „Auslöschung“ der beiden Ladungsträger mit entgegengesetzten Vorzeichen, die Ladungsträger könnten weiter zum elektrischen Strom beitragen.
„Dieser erste Nachweis wird der Entwicklung von Dünnschichtsolarzellen aus Chalkopyriten wichtige Entwicklungsimpulse liefern“, so Dr. Susanne Siebentritt. Chalkopyrite stehen an der Schwelle zur Massenproduktion, da sie neben der polykristallinen Struktur auch vielfach dünnere Schichten und somit erhebliche Material- und Kostenersparnisse ermöglichen. „Für uns Forscher und auch für Produzenten von Solarzellen sind diese Materialien sehr interessant, da hier unter anderem die polykristallinen Zellen effizienter sind als die monokristallinen“, schließt Siebentritt.
Die Ergebnisse der Berliner Forscher wurden Anfang Oktober als Titelbeitrag in der renommierten Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ präsentiert.
Quelle: Hahn-Meitner-Institut Berlin
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