Unumkehrbare Energiewende
Solarstrom lässt sich auch in Deutschland für zehn Cent pro Kilowattstunde produzieren. Kraftwärmekopplung arbeitet auch in kleineren Anlagen rentabel. Maßnahmen der Energieeffizienz rechnen sich zum Teil schon in zwei bis drei Jahren. Der 6. Südwestfälische Energietag an der Fachhochschule Südwestfalen, der wieder in enger Kooperation mit der EnergieAgentur.NRW und den regionalen IHKs organisiert wurde, wartete vor 350 Zuhörerinnen und Zuhörern mit kleinen Sensationen auf.
Zunächst jedoch hob IHK Präsident Ralf Kersting den mahnenden Zeigefinger. Die Energiewende sei nur gemeinsam von Industrie, Politik und Gesellschaft zu schaffen. „Die Energiewende ist ein Man-to-the-moon-Projekt“, zitierte Kersting den aktuellen Kanzlerkandidaten der SPD. Wenn alle an einem Strang ziehen, könne Deutschland ein Vorreiter sein. „Aber wir leben nicht auf einer Insel“, mahnte Kersting auch die Europäische Dimension an. Er stehe zur Energiewende, aber als Geschäftsführer eines Energie-intensiven Unternehmens drohte er auch: „Wenn die Energie nicht mehr bezahlbar ist, machen wir den heimischen Standort dicht.“
Wer sind denn nun die Preistreiber? Die EEG Umlage, die mit insgesamt 6,5 Milliarden Euro zu Buche schlägt? Die Strom Konzerne, die einen Gewinn von 19 Milliarden Euro vermelden? Die 2.000 begünstigten Großabnehmer, die durch Ausgleichsregelungen begünstigt werden? Letztere machen nur 4 Prozent der Industrieunternehmen aus, haben aber einen Bedarf von fast 50 Prozent des gesamten Stromverbrauchs der Industriebetriebe.
Niemand stellte die Energiewende grundsätzlich in Frage. Der Weg bietet da schon eher Diskussionsbedarf. So forderte Andreas Kuhlmann vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), die Entsolidarisierung zu stoppen. Dabei hatte Kuhlmann jedoch eher die Selbstversorger und nicht die Großverbraucher im Blick.
„Gerade die energetische Selbstversorgung gewinnt derzeit enorm an Fahrt, auch daher widmen sich gleich drei Vorträge auf dem 6. Südwestfälischen Energietag der Kraft-Wärme-Kopplung“, begründete Tagungsleiter Prof. Dr. Christoph Kail das Tagungsprogramm. Die sogenannten Blockheizkraftwerke bieten zunehmend auch für mittelständische Unternehmen wirtschaftliche Vorteile. Auf großes Interesse stieß etwa eine variable Lösung der Firma Saacke, die mittels einer Mikrogasturbine Strommengen ab 30 KW produzieren kann.
Bei den Energiemanagementsystemen bekamen viele Zuhörerinnen und Zuhörer ob der aufgezählten Normen zunächst das kalte Grausen. Als es jedoch um konkrete Beispiele ging, wurden gerade die zahlreichen Unternehmensvertreter hellhörig: „Neben der Komplexität des Themas wurden erstaunliche Erfolgsgeschichten gezeigt, etwa Amortisationszeiten von wenigen Jahren und in Extremfällen sogar von wenigen Monaten“, berichtet Dr. Ralf Biernatzki vom Soester Institut i.green, Kooperationspartner des Energietages.
Auch einen unterhaltsamen Teil bot das Kapitel Energiemanagement: Stefan Scherf von den Stadtwerken Wuppertal präsentierte ein Kuriositätenkabinett am Beispiel Druckluft. Da staubte die Luftansaugung einer Anlage wegen ungünstiger Aufstellung völlig zu oder bei einer zweiten Anlage waren wegen zu hoher Umgebungstemperatur zusätzliche Kühlgeräte aufgestellt worden. „Energieverwendung im Unternehmen ist von hoher ökonomischer und ökologischer Relevanz“, fasste der Vertriebsleiter schließlich zusammen, aber sie ist auch eine „anspruchsvolle und komplexe Aufgabe“.
Den konkreten Ablauf der Erstellung und Umsetzung eines solchen Energieversorgungskonzeptes zeigte Christoph Koch von Kombiplan am Beispiel eines Futtermittelherstellers. Nach einer umfassenden Voranalyse wurde nur eine Variante detailliert untersucht und berechnet. Durch die jüngsten Strompreiserhöhungen bereite die im Bau befindliche Anlage letztlich keinerlei Mehrkosten, so Koch. Bemerkenswert, dass auch hier die Geschäftsführung die ökonomischen und ökologischen Kriterien von Unternehmensseite durchaus als gleichberechtigt betrachtete und sich hieraus Wettbewerbsvorteile erhoffte.
„Mein Ziel ist, dass die Photovoltaik günstig ist“, erklärte Herbert Muders von juwi solar. „Heute kann man mit deutschen Produkten für zehn Cent pro Kilowattstunde Solarstrom produzieren“, so zeigte Muders auf, dass die EEG Förderung ihre Früchte getragen hat. Und er rechnete vor, wie regenerative Energie inzwischen an der Strombörse für eine Senkung des Strompreises sorge. So bringe Photovoltaik gerade in der Spitzenlast-Mittagszeit die höchste Leistung. „Bezogen auf den Herstellungspreis von Energie haben wir an den Strombörsen den niedrigsten Preis seit drei Jahren“, hatte Andreas Brinkmann eingangs schon dargelegt. - Nur kommt bei den Endverbrauchern davon bisher nichts an.
Aufmerksam verfolgten die Zuhörerinnen und Zuhörer Muders praktische Ausführungen zur Windenergie, einem großen Thema für Südwestfalen: Zum einen zeigte er, wie und wie schnell eine neue Anlage errichtet wird. Vorher müsse jedoch für jeden Standort ein genaues Windprofil erstellt werden. Grundsätzlich aber gelte: Je höher, desto mehr Wind. Gerade in Waldgebieten wie dem Sauerland bieten sich Nabenhöhen von 150 bis 180 Metern an. Diese erfordern ein Fundament von etwa 12 bis 16 Meter Durchmesser. Daneben seien alle Hersteller dabei, Modelle für windschwächere Standorte zu entwickeln - mit größeren Rotordurchmessern und kleineren Motoren.
Dass neben dem Strompreis die Netzstabilität ein existenzieller Standortfaktor ist, klang in mehreren Vorträgen des 6. Energietages durch. Die Furcht, dass das deutsche Stromnetz, das sicherste der Welt, unbeständiger werden könnte, sorgte so zu einem Absatzboom von Notstromaggregaten. „Der Netzausbau ist der Flaschenhals der Energiewende“ - das sehen mit Andreas Kuhlmann alle Expertinnen und Experten ähnlich.
Quelle: Fachhochschule Südwestfalen
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