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30.07.2011

Meeresspiegel steigt schneller als je zuvor in den letzten 2.000 Jahren

Seit Beginn der Industrialisierung steigt der Meeresspiegel schneller als je zuvor in den letzten zweitausend Jahren. Nach vielen Jahrhunderten mit stabilen oder nur langsam steigenden Werten geht die Kurve seit Ende des 19. Jahrhunderts steil nach oben. Das zeigt eine Untersuchung von Ablagerungen an der US-Atlantikküste - es ist die erste durchgehende Rekonstruktion der Veränderungen des Meeresspiegels über einen solch großen Zeitraum.

Zumindest in den letzten tausend Jahren kann das Auf und Ab der globalen Durchschnittstemperatur das Verhalten des Meeresspiegels erklären, schreibt ein internationales Forscherteam in der US-Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences. Die neuen Daten erhärten die physikalisch begründete Annahme, dass der Meeresspiegel umso rascher steigt, je wärmer das globale Klima wird.

„Die neue Untersuchung bestätigt unser Modell des Meeresspiegelanstiegs – die Daten der Vergangenheit schärfen damit unseren Blick in die Zukunft“, erklärt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, einer der Autoren. Bislang war der enge Zusammenhang zwischen Lufttemperatur und Meeresspiegelanstieg nur für die vergangenen 130 statt wie nun für 1000 Jahre belegt worden. Das zeitliche Zusammentreffen der Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs mit dem Beginn der Industrialisierung sei, so Rahmstorf, ein deutlicher Hinweis: „Der Mensch heizt mit seinen Treibhausgasen das Klima immer weiter auf, daher schmilzt das Landeis immer rascher und der Meeresspiegel steigt immer schneller.“

„Der Anstieg des Meeresspiegels ist eine potenziell desaströse Folge des Klimawandels, weil steigende Temperaturen das Eis an Land schmelzen lassen und das Wasser der Ozeane erwärmen“, sagt Benjamin Horton von der University of Pennsylvania, auch er ist einer der Autoren. Wird Wasser erwärmt, dehnt es sich aus, und der Meeresspiegel steigt. Die zweite wesentliche Ursache für den Anstieg ist das Abschmelzen von Gebirgsgletschern und großer Eismassen in Grönland und der Antarktis, wodurch zusätzliches Wasser ins Meer gelangt.

Die Forscherinnen und Forscher haben in Bohrkernen aus Salzwiesen an der nordamerikanischen Küste fossile Kalkschalen von Einzellern untersucht – ein natürliches Archiv der Pegelstände des Ozeans. Menge und Art dieser Kalkschalen zeigen den Wasserstand vergangener Jahrhunderte an, weil die Arten jeweils in einer ganz bestimmten Höhe im Gezeitenbereich leben. Die in North Carolina gewonnenen Daten decken sich mit Hafenpegeldaten, soweit diese zurückreichen, und sie wurden außerdem durch eine unabhängige Rekonstruktion aus Massachusetts bestätigt. Obwohl Meeresspiegelschwankungen örtlich in gewissem Rahmen vom Verlauf des globalen Meeresspiegels abweichen können, gehen die Forscher davon aus, dass ihre Daten im Großen und Ganzen die Veränderungen im globalen Meeresspiegel aufzeigen.

Die Daten zeigen vier Phasen. Von 200 vor Christus bis 1000 nach Christus war der Meeresspiegel stabil. Ab dem 11. Jahrhundert stieg er 400 Jahre lang um etwa fünf Zentimeter pro Jahrhundert an. Diesen Anstieg konnten die Forscherinnen und Forscher in Modellrechnungen mit der mittelalterlichen Warmperiode erklären. Gefolgt war der Anstieg von einer weiteren stabilen Periode mit kühlerem Klima, die bis ins späte 19. Jahrhundert reicht. Seither ist der Meeresspiegel im Zuge der globalen Erwärmung um rund 20 Zentimeter angestiegen. Damit ist dieser Anstieg um ein Mehrfaches schneller als alles, was es in den vorangegangenen 2.000 Jahren gegeben hat.

Zu den Autoren der Studie zählen neben Rahmstorf und Horton auch Andrew Kemp (Yale University), Jeffrey Donnelly (Woods Hole Oceanographic Institution), Michael Mann (Pennsylvania State University), Martin Vermeer (Aalto University School of Engineering, Finland). Die Untersuchung wurde unterstützt unter anderem von der US-amerikanischen National Science Foundation.

Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)

  

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