Artikel vom 07.02.2007, Druckdatum 15.11.2024 | |
Wuppertal Institut: Automobilindustrie braucht jetzt gesetzliche Vorgaben Zur Debatte um den Beitrag der Automobilindustrie zur Einhaltung der CO2-Minderungsverpflichtung meldet sich jetzt das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie zu Wort: Es gehe in dieser Frage nicht um Zumutungen, sondern um internationale Verpflichtungen. Mit dem Kyoto-Protokoll hätten sich die Mitgliedsstaaten der EU auf ein Verfahren der gegenseitigen Verpflichtung eingelassen. Deshalb könne die Politik jetzt nicht anders, als auf Erfüllung des Vertrags seitens der Automobilindustrie zu bestehen – notfalls durch gesetzliche Vorgaben. Mit der Entscheidung Kyoto-Protokoll bestehe für den verpflichteten Staat ein „Budget“ an Treibhausgas Emissionen das nicht überschritten werden darf. Verlasse ein Sektor seine Minderungsverpflichtungen, so müsse ein anderer mehr übernehmen - oder der Staat müsse am Ende Rechte gegen Geld im Ausland zukaufen. Im Sinne dieses Ansatzes habe die EU gleich nach der Entscheidung von Kyoto vereinbart, welchen Teil der Minderungsverpflichtung die PKW-Industrie übernehme. Ergebnis war die Selbstverpflichtung der europäischen Autohersteller (ACEA), die von der europäischen Politik akzeptiert wurde, mit nachfolgend analogen Vereinbarungen mit den ostasiatischen Importeuren (JAMA und KAMA). Inhalt der Selbstverpflichtung war, die spezifischen CO2 Emissionen aufgrund des Normverbrauchs von Neu-PKW im Schnitt herabzusenken auf 140 g/km - zu erreichen im Jahre 2008 (für europäische Hersteller). Die Kommission hatte angekündigt, dass sie durch „zusätzliche“ Maßnahmen den durchschnittlichen Verbrauch von Neuwagen auf 120 g/km senken wolle. Es bestehe Einigkeit, so das Wuppertal Institut, dass das Ziel „140 g/km in 2008“ nicht erreicht wird - der Abwärtstrend sei 2005 bei 162 g/km zum Stehen gekommen, es fehlen 22 g/km. Der Absatz in Deutschland stagniere bei 173 g/km im Jahr 2005 wie 2006. Dissens bestehe derzeit allein darüber, ob dies als Vertragsbruch zu gelten habe. Die Automobilindustrie mache geltend, dass „Umstände“ es ihr unmöglich gemacht hätten, das zugesagte Ziel auch zu erreichen (im Wortlaut: „industry's efforts have been hindered by counter-productive effects of new EU regulations and the persistent lack of consumer demand for fuel-efficiency.” Pressemitteilung ACEA 26.1.07). Die Nachfrage der Autokäuferinnen und Autokäufer werde allerdings durch das Angebot der Autohersteller bestimmt, bekräftigt das Wuppertal Institut. Nicht sie seien als unbeweglich und kompromisslos hinzustellen, sondern verantwortlich sei in erster Linie die Gestaltung der Angebotspalette sowie die Konzentration der Werbung der PKW-Hersteller für große und PS-starke Autos, die zu diesem Kaufverhalten führe. Die Verfehlung der Selbstverpflichtung sei in sofern von besonderer Tragweite, weil hierdurch Minderungsverpflichtungen nicht nur auf andere Sektoren abgewälzt würden, sondern insgesamt hier auch der Grundstein dafür gelegt werde, dass die EU als Ganze ihre Minderungsziele verfehle. Während im Schnitt Europas Emissionen um 8 Prozent gesenkt werden müssten, sei der Verkehrsbereich dabei, sich bis 2010 ein Wachstum um mehr als 40 Prozent herauszunehmen. Ein in solchem Maße „unsolidarisches“ Verhalten sei für die anderen Sektoren kaum mehr akzeptabel, so das Institut. Die Politik könne die angeführten Gründe „höherer Gewalt“ nicht einfach quasi „nach oben weiter durchreichen“ - das UN-Klimasekretariat als Anwalt der Natur ist nicht in der Lage, Rabatte zu gewähren, da die Natur sie nicht gewährt. Die Politik habe den Automobilunternehmen eh schon Rabatte in erheblichem Umfang dadurch eingeräumt, dass sie (a) lediglich auf den Normverbrauch der PKW abstellte, nicht auf den faktischen Verbrauch, der deutlich höher ist; und (b) nur die CO2 Emissionen von Fahrzeugen, nicht dagegen die anderen Treibhausgase berücksichtigte, die PKW ebenfalls emittieren (HFC aus Klimaanlagen, N2O aus Katalysatoren und CH4). Deshalb könne die Politik nicht anders, als auf Erfüllung des Vertrags seitens der Automobilindustrie zu bestehen – nun eben durch gesetzliche Vorgaben. Das bedeute, dass Maßnahmen technischer Art realisiert werden müssten, wie sie im Handlungsfeld der Unternehmen liegen. Welcher Art diese Maßnahmen sein können, hat das Wuppertal Institut in der Studie „Klimawirksame Emissionen des PKW-Verkehrs und Bewertung von Minderungsstrategien“ untersucht. Dabei geht es nicht um eine uniforme Belastung der Fahrzeuge oder gar Verbote, es geht um die Reduzierung der Flottenverbräuche. Denkbar sind dabei auch Instrumente, die Ausgleichmaßnahmen zulassen für größere Fahrzeuge, aber dann zu dem Preis, dass sie eine höhere Zusatzbelastung zu tragen haben. Tatsächlich aber, so das Wuppertal Institut, werde vielfach gefordert, die Politik solle der Fahrzeugindustrie Erleichterung zubilligen, indem sie andere Maßnahmen nicht-technischer Art (biofuels; Anreize zu effizienterem Fahrverhalten u. ä.) ergreift. Doch würde die Politik dem Rat folgen, dann würde sie damit in den Optionenkranz anderer Akteure eingreifen, die diese schon für die Erfüllung ihrer (ja lange bekannten) Verpflichtungen vorgesehen hätten. Insofern bleibe der Politik nur, jetzt zu handeln und Glaubwürdigkeit in ihren Zielen zu demonstrieren. Die Untersuchung des Wuppertal Instituts ist in der Reihe „Wuppertal Spezial“, Nr. 34, erschienen und steht als Download zur Verfügung unter: http://www.wupperinst.org/de/publikationen/wuppertal_spezial/ Quelle: Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH |