Artikel vom 12.05.2012, Druckdatum 15.11.2024 | |
6. DUH-Politiker-Dienstwagen-Check: Enttäuschende Klimabilanz Die großen Ignoranten im Klimaschutz werden weniger, die demonstrativen Vorreiter auch. Der Mainstream des politischen Spitzenpersonals bewältigt seine Dienstfahrten nach wie vor mit Limousinen, deren CO2 Emissionen deutlich über dem Klimaschutz-Zielwert der EU liegen. Kein Dienstwagen eines Bundesministers erfüllt den geltenden CO2-Zielwert der EU. Das ist eines der Ergebnisse der sechsten Dienstwagenerhebung der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH). Insgesamt gibt es einen schwachen Trend nach unten, der sich aber im Rahmen der allgemeinen Emissionsentwicklung der Modelle dieser Fahrzeugklasse bewegt. Und: Vereinzelte demonstrative Entscheidungen von Politikern für den Vorzeige-Hybrid Prius von Toyota als Dienstwagen, sind beendet. Die Dienstwagenflotte ist wieder fest in deutscher Hand. Damit verschlechtert sich der beste Emissionswert gegenüber dem Vorjahr um 34 Prozent von 92 g CO2/km auf 123 g CO2/km. Dafür entfallen nunmehr hundert Prozent der Dienstwagen auf die deutschen Hersteller Audi, BMW, Mercedes und VW. Nur fünf Landespolitiker aus Hamburg, Bremen und Brandenburg unterschritten mit ihren Dienstwagen den EU-Zielwert von 130 g CO2/km und erhielten hierfür die „Grüne Karte“. Für eine 50prozentige Überschreitung (Dienstwagen über 195 g CO2/km) verleiht die DUH „Rote Karten“ an die Hälfte der Landeschefs und zwölf Landesminister. „Die Resultate der diesjährigen Erhebung sind alles in allem ernüchternd. Nicht nur, weil die Emissionen und Spritverbräuche insgesamt noch viel zu hoch sind, sondern auch, weil sich im vergangenen Jahr viel zu wenige Spitzenpolitiker demonstrativ für wirklich klimaschonende Dienstwagen entschieden haben“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Den Politikern warf Resch vor, ihre Vorbildfunktion beim Klimaschutz zu vernachlässigen. Die sei aber mehr denn je gefragt, nachdem das Jahrhundertproblem Klimawandel immer wieder von aktuellen Diskussionen überlagert werde, ohne auch nur im Ansatz gelöst zu sein. Trotz dieser allgemeinen Befunde ergibt sich in der DUH-Erhebung erneut eine Riesendifferenz zwischen Verantwortung und Ignoranz. Der Dienstwagen des diesjährigen Schlusslichts der bundesweiten Ministerliste, des NRW-Innenministers Ralf Jäger (SPD, Audi A8 L 6.0 W12 quattro, 450 PS, 324 g CO2/km), stößt mehr als zweieinhalb mal so viel CO2 aus wie der des Spitzenreiters, seines Hamburger Amtskollegen Michael Neumann (ebenfalls SPD, BMW 520d, 184 PS, 123 g CO2/km). Kein Dienstwagen der Bundesminister, deren Daten erhoben wurden, schafft den EU-Zielwert von 130 g CO2/km, aber erstmals übertrifft auch keiner mehr die 195 g CO2/km-Marke („Rote Karte“). Am wenigsten klimaschädlich fährt Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mit 149 g CO2/km. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) liegt hier im Mittelfeld (176 g CO2/km). Das Schlusslicht bildet Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) mit 183 g CO2/km. Die insgesamt enge Spanne zwischen den Bundesministern ist nach Überzeugung der DUH auch Ergebnis der hohen Beobachtungsintensität in der Bundeshauptstadt. Wie in den Vorjahren werden die besonders gesicherten Dienstwagen der Bundeskanzlerin und sicherheitsrelevanter Schlüsselressorts nicht bewertet. Anders als unter den Bundesministern hält sich bei den Regierungschefs der Länder ein harter Kern der Klimasünder, die offenbar nicht auf übermotorisierte Statussymbole auf vier Rädern verzichten wollen. Horst Seehofer (Bayern, CSU, BMW 750i xDrive, 407 PS, 278 g CO2/km), Volker Bouffier (Hessen, CDU, Audi A 8 L W12 quattro, 500 PS, 277 g CO2/km),Hannelore Kraft (NRW, SPD, Audi A8 L W12 quattro, 500 PS, 277 g CO2/km), Klaus Wowereit (Berlin, SPD, BMW 750 Li, 407 PS, 266 g CO2/km) bilden hier die Spitze. Der hessische Ministerpräsident liegt im Übrigen nicht nur bei den CO2 Emissionen weit vorn unter den Länderchefs, sondern auch mit seinem hinhaltenden Widerstand gegen die Offenbarung seiner Dienstwagendaten. Erst nachdem die DUH beim Verwaltungsgericht Wiesbaden Klage gegen die Hessische Landesregierung auf Herausgabe der Daten eingereicht hatte, offenbarte Bouffier den CO2-Ausstoß seines aktuellen Dienstwagens. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) darf sich nicht nur rühmen, sich selbst unter allen Regierungschefs am klimafreundlichsten (BMW 530d xDrive, 258 PS, 146 g CO2/km) chauffieren zu lassen. Er führt auch die Landesregierung an, deren Ressortchefs mit im Mittel 136 g CO2/km den niedrigsten Emissionswert aufweisen. Auf dem zweiten Rang im Kabinetts-Ranking liegt mit Bremen (144 g CO2/km) ebenfalls ein Stadtstaat. Das Schlusslicht bildet Bayern (205 g CO2/km) noch hinter Hessen (196 g CO2/km). Den größten Sprung nach vorn machte die neue grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg. Wie nach ihrer Amtsübernahme angekündigt, wählten die Regierungsmitglieder Sprit sparendere und umweltfreundlichere Dienstfahrzeuge. Dadurch verringerte sich der durchschnittliche CO2-Ausstoß von 224 g CO2/km zum Ende der Amtszeit der CDU/FDP-Regierung Mappus auf jetzt 168 g CO2/km (Rang 6). Der Dienstwagen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis90/Grüne) emittiert mit 195 g CO2/km immer noch 50 Prozent mehr CO2 als die EU als Zielwert für das Jahr 2012 vorsieht – aber immerhin 145 g CO2/km weniger als der seines Vorgängers Stefan Mappus (CDU). Trotzdem: Kretschmanns niedersächsischer Amtskollege David Mc Allister, ebenfalls Regierungschef in einem Autoland, kommt dem EU-Zielwert mit 171 g CO2/km deutlich näher. Aufgeschlüsselt nach der Parteizugehörigkeit bilden die 14 Landesminister von Bündnis90/Die Grünen mit durchschnittlich 147 g CO2/km die Vorhut und die sieben bayerischen Minister der CSU mit durchschnittlich 204 g CO2/km das Schlusslicht unter den Landespolitikern. Nach Angaben der Projektmanagerin Verkehr und Luftreinhaltung bei der DUH, Amrei Münster, die die Dienstwagenerhebung in den vergangenen Monaten federführend durchgeführt hat, war die Informationsbereitschaft der Bundesminister und der großen Mehrheit der Länderminister auch in diesem Jahr insgesamt hoch. Neben dem hessischen Ministerpräsidenten Bouffier hielten nur wenige Länderminister die DUH hin, bis sie am Ende die Daten lieferten. Münster: „Die erfolgreichen Klagen der DUH in den letzten Jahren gegen Auskunftsverweigerer wie die Ministerpräsidenten Rüttgers in NRW und Carstensen in Schleswig-Holstein haben da sicherlich eine heilsame Wirkung gehabt.“ Die DUH kündigte an, sie werde die Daten, gestützt auch auf die Umweltinformationsgesetze (UIG) der Länder, weiter abfragen und die Liste fortlaufend aktualisieren. Quelle: Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) |