Artikel vom 01.05.2012, Druckdatum 15.11.2024

NRW-Wahl: Umweltverbände fragen - Wahlkämpfer antworten

Nordrhein-Westfalen, das Bundesland mit den weitaus höchsten CO2 Emissionen könnte nach der Landtagswahl am 13. Mai einen kräftigen Schwenk hin zu „Klimaschutz light“ erleben. Das lässt sich aus den Antwortschreiben der Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidatinnen und -kandidaten aller Parteien mit Chancen auf (Wieder-)Einzug in den Düsseldorfer Landtag schließen, die diese jetzt an die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH), die Landesverbände von BUND und NABU, Germanwatch und das Kampagnen-Netzwerk Campact schickten.

Die Nichtregierungsorganisationen (NRO) hatten die Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer vor zwei Wochen insbesondere nach der Zukunft des von der bisherigen rot-grünen Minderheitsregierung eingebrachten „Klimaschutzgesetz NRW“ und nach dem gerichtlich gestoppten E.ON-Kohlekraftwerk Datteln IV gefragt. Bereits im Landtagswahlkampf 2010 hatten dieselben NRO erstmals Eckpunkte für den Klimaschutz in NRW vorgestellt und die Parteien aufgefordert ein entsprechendes Landesgesetz zu verabschieden.

Kopfschütteln erzeugte bei den Umweltschützern insbesondere die Antwort des CDU-Spitzenkandidaten und Bundesumweltministers Norbert Röttgen, der für NRW einerseits ein Klimaschutzgesetz fordert, „das diesen Namen verdient und auch konkrete Maßnahmen enthält, um die Erneuerbaren Energien zu fördern“ - und andererseits vehement für weitere fossile Kraftwerke, inklusive Datteln IV, eintritt. Als Ministerpräsident werde er sich für das Steinkohleprojekt einsetzen und die Entscheidung nicht wie Rot-Grün den Gerichten überlassen.

Als beunruhigend beurteilen die Fragesteller aber auch die Antwort der amtierenden Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), deren Landesgeschäftsführer Bernd Neuendorf sich in der in ihrem Namen verfassten Antwort zwar allgemein zu einem „Fortschrittsmotor Klimaschutz“ bekennt, aber ein erneutes Bekenntnis zu dem von der aktuellen Landesregierung vorbereiteten Landesklimaschutzgesetz akribisch meidet. Das Vorhaben findet auch im SPD-Wahlprogramm keine Erwähnung mehr.

Als verstörend empfinden die Umweltschützer zudem den Versuch der SPD, den Kohleblock Datteln IV in ihrer Antwort sauberer zu rechnen, als er selbst von E.ON im immissionsrechtlichen Genehmigungsantrag eingestuft worden war. E.ON beantragte seinerzeit 8 Millionen Jahrestonnen CO2, die SPD drückt diese Zahl auf 5,1 Millionen Tonnen, erkennbar in der Absicht so gegenüber den Emissionen von in Zukunft abzuschaltenden alten Kohleblöcken einen positiven Effekt zu errechnen. Zu Datteln, so Neuendorf, gebe es wegen des laufenden Verfahrens im Regionalverband Ruhr (RVR) von der SPD „keine Aussage“.

Die Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen und bisherige Bildungsministerin Sylvia Löhrmann verweist in ihrer Antwort ebenfalls auf das laufende Verfahren im RVR (dem auch die Grünen zugestimmt hatten). Allerdings habe das OVG Münster in seinem Urteil „der Fertigstellung von Datteln IV hohe Hürden auferlegt.“ Löhrmann bekennt sich klar zu dem von der rot-grünen Regierung vorangetriebenen Klimaschutzgesetz NRW. Dieses solle „noch in diesem Jahr erneut in den Landtag“ eingebracht werden.

Namens seines Spitzenkandidaten Christian Lindner spricht sich der Hauptgeschäftsführer der NRW-FDP, Ralph Sterck, einerseits für die langfristigen Klimaschutzziele der Bundesregierung aus (mindestens -80 Prozent bis 2050 gegenüber 1990) und warnt andererseits vor der „Verabsolutierung des Klimaschutzes“. Die FDP will einen umfassenden Klimaschutzplan, allerdings ohne die dort aufgenommenen „Maßnahmen bereits verbindlich vorzuschreiben“. Die Fertigstellung von Datteln IV dürfe nicht blockiert werden. Außerdem plant die FDP offenbar die gegenwärtige Generation von Kohlekraftwerken umfassend durch eine neue zu ersetzen.

Die Piratenpartei bekennt sich entschieden zum Erlass eines Landesklimaschutzgesetzes und lehnt das Kraftwerksprojekt Datteln IV ab: „Große Kohlekraftwerke laufen den Zielen der Energiewende zuwider." Auch die Linke lehnt das „rechtswidrige Kohlekraftwerk Datteln“ klar ab. Rot-Grün werfen die Linken vor, in NRW beim Klimaschutz weit hinter den Notwendigkeiten hinterherzuhinken. Das Ziel der bisherigen Landesregierung, die CO2 Emissionen bis 2020 um 25 Prozent (gegenüber 1990) zu reduzieren, sei viel zu wenig ehrgeizig, angesichts des nationalen Zielwert von minus 40 Prozent bis zu diesem Zeitpunkt.

„Wir sind erfreut, dass alle Parteien mehr oder weniger zügig auf unsere Fragen geantwortet haben“, erklärte der Leiter Politik und Presse der DUH, Gerd Rosenkranz, zu den Ergebnissen der Umfrage. Bezüglich der Parteien, die die größten Chancen haben, das Land in den nächsten fünf Jahren zu führen, sei das allerdings schon fast das einzig Erfreuliche an den Reaktionen. „Ansonsten gibt es viel Klimaschutz im Weichspülgang“. CDU und SPD wollten sich erkennbar alle Optionen offenhalten. Den Wählerinnen und Wählern rät Rosenkranz, „bei den Bekenntnissen der Politikerinnen und Politiker zum Klimaschutz bis zum Wahltag sehr genau hinzuhören, wenn es konkret wird.“

„Datteln IV ist der Glaubwürdigkeitstest für eine konsequente Neuausrichtung der NRW-Energiepolitik“, sagte Dirk Jansen, der Geschäftsleiter des BUND in NRW. „Wer wie Norbert Röttgen oder Christian Lindner das gerichtlich gescheiterte Klimakiller-Kraftwerk doch noch durchboxen will, leistet den klimaschutzpolitischen Offenbarungseid. Das Kraftwerk ist ebenso überflüssig wie schädlich für Mensch und Umwelt.“

Ein bisschen weniger allgemeine Bekenntnisse, dafür mehr konkrete Aussagen, was nach dem 13. Mai geschehen soll, hätte sich Josef Tumbrinck, der NABU-Landesvorsitzende, gewünscht. Tumbrinck: „Klimaschutzgesetz und Klimaschutzplan waren bis zur Neuwahlentscheidung auf einem guten Weg. Daran kann und muss die neue Landesregierung nahtlos anknüpfen.“ Ansonsten würde die Politik im Übrigen dem Bewusstsein großer Teile der Gesellschaft hinterher hinken.

Das von den Verbänden im Wahlkampf 2010 vorgeschlagene Klimaschutzgesetz NRW hat zum Ziel, die Treibhausgasemissionen in NRW bis 2050 um 95 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Um dies zu erreichen, soll das Energiesystem effizienter gestaltet und binnen vier Jahrzehnten praktisch vollständig auf Erneuerbare Energien umgestellt werden.

Quelle: Deutsche Umwelthilfe e.V., BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V., NABU Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V., Campact e.V., Germanwatch e.V.
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