Trotz Ausbaus der Erneuerbaren: Auch künftig Dauerbetrieb von Kohlekraftwerken
Diverse Studien befassen sich unter verschiedenen Fragestellungen mit der künftigen Auslastung von Kraftwerken. In einem Studienvergleich zeigt die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE), dass insbesondere die Übertragungsnetzbetreiber im Entwurf des Netzentwicklungsplans 2013 von einer sehr hohen Auslastung der Braunkohlekraftwerke ausgehen, trotz steigender Kapazitäten bei den Erneuerbaren Energien. Die Konsequenzen: Die Stromproduktion übersteigt immer öfter die Nachfrage, die Börsenstrompreise sinken, der Stromexport und die Belastung der Netze nehmen zu.
Den Szenarien der Übertragungsnetzbetreiber zufolge werden sich diese Zusammenhänge trotz politisch proklamierter Energiewende in Zukunft nicht ändern. Auch im Jahr 2023 und 2033 rechnen die Netzbetreiber unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen im Strommarkt mit einer durchgängig hohen Auslastung insbesondere von Braunkohlekraftwerken und einer Zunahme des Stromexports.
Im als am wahrscheinlichsten dargestellten Szenario B des Entwurfs für den Netzentwicklungsplan 2013 prognostizieren die Übertragungsnetzbetreiber, dass Braunkohlekraftwerke auch im Jahr 2023 fast rund um die Uhr laufen. Bei einer installierten Leistung von 17,6 Gigawatt würden sie 129,4 Terawattstunden Strom erzeugen. Rechnerisch liefen die Braunkohlekraftwerke an 7.371 Stunden im Jahr mit voller Leistung (= Volllaststunden). Das wäre sogar mehr als die rund 6.000 Volllaststunden im Jahr 2011, die sich aus den Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums und der AG Energiebilanzen für die installierte Leistung und die Stromerzeugung von Braunkohlekraftwerken berechnen lassen (demnach erzeugten Braunkohlekraftwerke mit einer installierten Leistung von 25 Gigawatt im Jahr 2011 rund 150 Terawattstunden Strom ) Hohe Volllaststunden sind ein Indikator dafür, dass Braunkohlekraftwerke auch dann noch auf voller Leistung laufen, wenn Sonnen- und Windenergieanlagen viel Strom produzieren.
Wenn allerdings gleichzeitig Strom aus Erneuerbare-Energien-Anlagen und Kohlekraftwerken im Netz transportiert werden muss, erfordert dies mehr Übertragungskapazität. „Im Umkehrschluss bedeutet das: Der erforderliche Netzausbau und die damit verbundenen Kosten bis 2023 könnten vermutlich geringer ausfallen, wenn das Übertragungsnetz neben der Stromeinspeisung aus Erneuerbaren Energien nicht noch zusätzlich eine quasi unverminderte Einspeisung des Kohlestroms ermöglichen müsste“, erklärt Philipp Vohrer, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien. „Werden konventionelle Kraftwerke nicht vom Netz genommen, wenn Erneuerbare-Energien-Anlagen einen Großteil der Nachfrage decken, entstehen Stromüberschüsse, die zum Beispiel zu negativen Preisen ins Ausland exportiert werden müssen. Das ist energiewirtschaftlich unnötig und widerspricht eklatant den Klimaschutzzielen“, kritisiert Vohrer.
Der aktuelle Netzentwicklungsplan der Übertragungsnetzbetreiber gibt den Stromexport im Szenario B für das Jahr 2023 mit 87 Tera-wattstunden an. (Zum Vergleich: Im Jahr 2012 exportierte Deutschland 66,6 Terawattstunden Strom ins Ausland.) Damit würde Deutschland sogar Frankreich überholen, dessen Exportmenge im Leitszenario für 2023 auf rund 84 Terawattstunden geschätzt wird.
Die Übertragungsnetzbetreiber erstellen den Netzentwicklungsplan jährlich seit 2012, um den zukünftigen Ausbaubedarf zu ermitteln. Auf Basis der oben genannten Annahmen kommen sie zu dem Fazit, dass bis 2023 rund 4.000 Kilometer neue Leitungen benötigt würden. Die Investitionskosten dafür beliefen sich auf 21 Milliarden Euro. Ein so modernisiertes Netz wäre in der Lage, nicht nur den Strom von Erneuerbare-Energien-Anlagen mit einer installierten Leistung von insgesamt 139,5 Gigawatt zu transportieren, sondern gleichzeitig auch den Strom aus den vorhandenen Kohlekraftwerken.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) geht davon aus, dass insbesondere die geplanten neuen Stromauto-bahnen des Korridors A zwischen Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg und des Korridors D zwischen dem Leipziger Raum und Bayern dazu beitrügen, Strom aus Kohlekraftwerken zu verteilen. „Sobald der Verdacht besteht, dass der Netzausbau nicht mehr vorrangig der Energiewende dient, sondern stattdessen die klimaschädliche Kohleverstromung manifestiert, wird die Glaubwürdigkeit der Netzausbaupläne beschädigt und die Akzeptanz für neue Stromleitungen schwindet“, warnt Vohrer.
Das vollständige Dossier mit Vergleichsgrafiken zu Volllaststunden-Prognosen einzelner Kraftwerkstypen ist auf der Internetseite des Forschungsradars Erneuerbare Energien abrufbar.
Quelle: Agentur für Erneuerbare Energien (AEE)
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