Artikel vom 13.07.2013, Druckdatum 15.11.2024

Überschwemmungen dominieren Naturkatastrophen-Statistik

Überschwemmungen mit Milliardenschäden dominieren die Naturkatastrophenstatistik des ersten Halbjahres 2013. Rund 47 Prozent der Gesamtschäden und 45 Prozent der versicherten Schäden entstanden aus Inlandsüberschwemmungen, die sich in Europa, Kanada, Asien und Australien ereigneten. Die mit Abstand teuerste Naturkatastrophe des ersten Halbjahres war das Hochwasser in Südost- und Ostdeutschland und den angrenzenden Staaten im Mai und Juni, das einen ökonomischen Schaden von mehr als 12 Milliarden Euro und einen versicherten Schaden in der Größenordnung von gut 3 Milliarden Euro verursachte.

Insgesamt blieben die Schäden aus Naturkatastrophen mit rund 45 Milliarden US-Dollar unter dem Durchschnitt der vergangenen 10 Jahre (85 Milliarden US-Dollar). Die versicherten Schäden beliefen sich auf 13 Milliarden US-Dollar (10-Jahres-Durchschnitt: 22 Milliarden US-Dollar). Der weitaus größte Teil der versicherten Schäden entfiel auf Deutschland. Zum Vergleich: Das Elbe-Hochwasser des Jahres 2002 hatte einen Gesamtschaden von 16,5 Milliarden US-Dollar verursacht, der versicherte Schaden lag bei 3,4 Milliarden US-Dollar. 

„Hochwasserereignisse in Deutschland und Zentraleuropa sind seit 1980 um den Faktor 2 häufiger geworden. Gerade bei Überschwemmungen muss jedoch eine erhöhte Gefährdung, wie häufigere Starkniederschlagsereignisse, nicht zwangsläufig zu höheren Schäden führen. Ein solcher Anstieg kann durch verstärkten Hochwasserschutz vermieden werden“, sagte Vorstandsmitglied Torsten Jeworrek. „Daher ist es wichtig, dass das Risikobewusstsein geschärft wird. Flüsse brauchen Platz, damit Hochwasserwellen ohne schwere Schäden abfließen können. Und beim Ausweis von Gewerbe- oder Wohnbaugebieten muss das Überschwemmungsrisiko mit berücksichtigt werden. Die Politik sollte nicht nur nach Katastrophen Nothilfefonds auflegen, sondern verstärkt vorausschauend handeln und einen klugen, überregionalen, möglichst international koordinierten Hochwasserschutz betreiben.“ 

Das Hochwasser in Deutschland sowie östlich angrenzenden Ländern wurde durch eine so genannte Trog-Wetterlage über Mitteleuropa ausgelöst, bei der feuchte Luft aus dem Mittelmeer- und südosteuropäischen Raum über Osteuropa nordwärts geführt wurde. Die in dieser Strömung eingelagerten Tiefs mit einer Luftströmung gegen den Uhrzeigersinn führten an den Nordrändern der Mittelgebirge und der Alpen zu einer Stauwetterlage. Stellenweise regnete es 400 Liter pro Quadratmeter in wenigen Tagen. Über ein sehr großes Gebiet betrugen die Niederschläge bis zu 100 Liter pro Quadratmeter. Da durch den regnerischen Frühling die Böden so feucht waren wie seit 50 Jahren nicht, flossen die Niederschläge direkt in die Flüsse ab. 

Die Folge war eine Hochwasserwelle in Bayern und Ostdeutschland, die an vielen Stellen der Donau und Elbe die Werte von 2002 deutlich übertraf. In Passau, wo Donau, Inn und Ilz zusammentreffen, wurde der höchste Pegel seit dem Jahr 1501 gemessen. An der Elbe brachen am Oberlauf durch stärkeren Hochwasserschutz weniger Deiche als noch 2002, jedoch türmte sich dadurch flussabwärts eine umso höhere Hochwasserwelle auf. In Magdeburg erreichte das Hochwasser eine nie dagewesene Höhe. Mehr als 20.000 Menschen wurden evakuiert. 

In Nachbarländern wie Tschechien und Österreich verursachte das Hochwasser ebenfalls hohe Schäden. Die Altstadt der tschechischen Hauptstadt Prag blieb allerdings anders als 2002 durch stärkeren Hochwasserschutz diesmal weitgehend verschont. In Österreich lösten sich nach den starken Niederschlägen zahlreiche Schlammlawinen. In Wien wurde ein Teil des Hochwassers in den Entlastungskanal „Neue Donau“ geleitet, wodurch die Überschwemmungen auf einige Straßen begrenzt blieb. In der Slowakei und in Ungarn beschränkte sich das Hochwasser auf die Donau, da beide Länder nicht von den starken Niederschlägen betroffen waren. In Bratislava und Budapest hielten die Hochwasserschutzmaßnahmen stand, lediglich einige ufernahe Straßenzüge wurden überschwemmt. 

Prof. Peter Höppe, Leiter der GeoRisiko-Forschung von Munich Re, sagte: „Offensichtlich werden die Tage mit Wetterlagen, die solche Hochwasser auslösen, häufiger, und die Wetterlagen bleiben länger ortsfest. Bei einer größeren Persistenz von Wettersystemen nimmt beispielsweise bei der Trogwetterlage das Potenzial zu ergiebigen und anhaltenden Niederschlägen zu. Beim Gegenstück dazu, der blockierenden Hochdruckwetterlage, steigt das Risiko für Hitzewellen und Trockenepisoden.“ 

„In der Klimaforschung wird derzeit diskutiert, worin die Ursachen für solche Veränderungen im Muster von Wetterlagen liegen und inwieweit hierbei der Klimawandel eine Rolle spielt. Einzelne Ereignisse lassen sich damit aber natürlich nicht erklären“, so Höppe weiter. 

Das zweitteuerste Ereignis in der ersten Jahreshälfte war zwischen 18. und 22. Mai eine Unwetterfront mit schweren Tornados in den USA. Am 21. Mai traf ein Tornado der höchsten Stufe 5 das Städtchen Moore, einen Vorort von Oklahoma City. Der Tornado erreichte Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 300 Kilometern pro Stunde und war mit einer Breite von zeitweise fast zwei Kilometern ungewöhnlich groß. Die Zerstörung war immens: Weit über 1.000 Häuser wurden alleine in Moore komplett zerstört, darunter 7 Schulen und ein Krankenhaus. 26 Menschen kamen ums Leben, mehr als 370 wurden verletzt. Der gesamtwirtschaftliche Schaden betrug mehr als 3 Milliarden US-Dollar, davon waren etwa 1,5 Milliarden US-Dollar versichert. 

„Die zentralen Staaten der USA sind die am stärksten Tornadogefährdete Region der Welt. Insgesamt verlief die Tornado-Saison in den USA allerdings bislang unterdurchschnittlich: Bis Ende Juni ereigneten sich 625 Tornados im Vergleich zu 1075 im zehnjährigen Durchschnitt“, sagte Höppe. 

Ein weiteres folgenschweres Ereignis war eine Überschwemmung in der kanadischen Provinz Alberta – vermutlich die dort schwerwiegendste Überschwemmung bislang. Ab dem 19. Juni trafen massive Regenfälle von bis zu 200 Litern pro Quadratmeter an einem Tag auf eine späte Schneeschmelze, so dass in Calgary der Bow River auf die dreifache Höhe des Hochwassers von 2005 anschwoll. 75.000 Menschen wurden evakuiert. Zahlreiche Straßenzüge wurden überschwemmt, auch die Sportarena Saddledome, Stadion des Eishockey-Proficlubs Calgary Flames, war betroffen. Erste Schätzungen lassen einen gesamtwirtschaftlichen Schaden von mehr als 3 Milliarden US-Dollar vermuten, auch der versicherte Schaden dürfte die Milliardengrenze übersteigen. 

Das humanitär schwerwiegendste Ereignis waren Sturzfluten im Norden Indiens und Nepals infolge ungewöhnlich früher und extrem starker Monsun-Regenfälle. Hunderte Straßen und Brücken wurden weggerissen, so dass die Bergungsarbeiten der Hilfskräfte schwer beeinträchtigt wurden. Mehr als 1.000 Menschen kamen ums Leben. 

Insgesamt ereigneten sich in der ersten Jahreshälfte weltweit 460 schadenrelevante Naturereignisse und damit etwas mehr als im Durchschnitt der vergangenen 10 Jahre (390). 

Quelle: Munich Re
                                                                 News_V2