Artikel vom 04.07.2013, Druckdatum 15.11.2024

Querschnittskompetenzen für Solarthermie und Photovoltaik unter einem Dach

Das Fraunhofer ISE weihte heute sein neues Laborgebäude in Freiburg ein. Auf einer Laborfläche von 2.400 Quadratmetern arbeiten dort Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Beschichtungen, Mikrostrukturen sowie optischen und photonischen Anwendungen für die Wärme- und Stromgewinnung aus SonnenenergieSolarthermie und Photovoltaik

„Der heute eingeweihte Laborneubau ist in mehrfacher Hinsicht ein Meilenstein für uns“, so Institutsleiter Prof. Eicke R. Weber. „Mit der Einrichtung der Forschungslabors stärken wir unsere Querschnittskompetenzen für die Solarthermie und Photovoltaik Das Gebäudekonzept erfüllt höchste Ansprüche hinsichtlich der Energieeffizienz und integriert neueste Entwicklungen aus unseren Forschungsabteilungen.“ 

An der Realisierung des Neubaus waren über einen Zeitraum von rund zweieinhalb Jahren rund 30 Projektpartner beteiligt. Die Kosten in Höhe von 10,2 Millionen Euro werden je zur Hälfte von Bund und Land – vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF und dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg – getragen. „Die Unterstützung für den Laborneubau ist ein klares Bekenntnis des Landes zu Investitionen in Forschung und Entwicklung für die Energiewende. Nur im Zusammenspiel aller Technologien können wir diese Aufgabe bewältigen. Eine Vernetzung von Forschungsdisziplinen, wie wir sie hier am Fraunhofer ISE finden, ist deshalb unerlässlich“, so die anwesende Bundeswissenschaftsministerin Theresia Bauer. 

Als das Fraunhofer ISE 2001 sein Hauptgebäude in der Heidenhofstraße 2 bezog, waren das Forschungsspektrum und die Belegschaft auf Grund der positiven Institutsentwicklung stärker gewachsen als angenommen. Nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten vom Gründungsstandort in der Oltmannsstraße dorthin umziehen. Da einzelne Forschungsthemen spezielle Laboranforderungen hatten, wurde der Nachzug jetzt mit dem Neubau an der Berliner Allee ermöglicht. „Mit dem Neubau konnten wir optimale Arbeitsbedingungen für die Bereiche Materialforschung, Beschichtung und Mikrostrukturierung schaffen“, so Dr. Werner Platzer, Bereichsleiter „Solarthermie und Optik“. „Es freut uns, dass sich für unsere Forschungsteams mit dem Umzug der notwendige enge Kontakt und Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fachbereiche deutlich vereinfacht hat.“ 

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die im Laborneubau arbeiten, entwickeln u. a. neue Materialien und Verfahren zur Beschichtung von Absorberrohren für solarthermische Kraftwerke oder mikrostrukturierte Oberflächen zur Optimierung von Solarzellenoberflächen, Antireflex-Solarglas oder Displays. In den neuen Laborräumen sind Anlagen zur Funktionalisierung und Veredelung von Oberflächen sowie zur Analyse und Untersuchung von Oberflächeneigenschaften untergebracht. Dabei kommen Technologien wie das Physikalische Vakuumdepositionsverfahren (PVD) zur Beschichtung sowie Laserinterferenzlithographie zur Strukturerzeugung zum Einsatz. Ergänzend stehen Labors zur Strukturabformung zur Verfügung. Als weiteres Forschungsthema ist die Charakterisierung und Entwicklung von Konzentratoroptiken sowohl reflektiv auf Basis von Spiegeln als auch refraktiv, z. B. mit Fresnellinsen, im Laborneubau untergebracht. Auf dem Gebäudedach wird ein kleines Außenversuchsfeld für unterschiedliche Typen von Konzentratorkollektoren (Parabolrinne, Fresnelkollektoren und Heliostaten) betrieben. 

Das Energiekonzept für den Laborneubau wurde gemeinsam mit einem Wissenschaftlerteam des Fraunhofer ISE entwickelt, das sich mit dem vielfältigen Aufgabenspektrum rund um energieeffiziente Gebäude beschäftigt. Mit der zukünftigen Nutzung waren zahlreiche Herausforderungen an das Energiekonzept verbunden. Der Energiebedarf des Laborgebäudes wird vor allem vom Kältebedarf der unterschiedlichen Versuchs- und Produktionsanlagen, Rechenzentren sowie Klimaanlagen bestimmt. Diesen Bedarf zu decken, Lastschwankungen auszugleichen und damit die Versorgung der Anlagen zu sichern, waren zentrale Aufgaben. Des Weiteren sollte im Zusammenspiel aller Maßnahmen die Energieeinsparverordnung EnEV 2009 um 50 Prozent unterschritten werden. Um dies zu überprüfen, wird das Fraunhofer ISE ein betriebsbegleitendes Monitoring durchführen. 

Das folgende Maßnahmenpaket wurde umgesetzt: Die Kälte- und Wärmeversorgung erfolgt über eine neuartige Wärmepumpe (Turboverdichtertechnologie), die zugleich Wärme und Kälte zur Verfügung stellt und Prozessabwärme nutzt. Die Wärmepumpe ist kombiniert mit einem gebäudeintegrierten Kaltwasser-Schichtspeicher, der Prozesse und Klimaanlagen mit Hochtemperaturkälte versorgt. Der Kaltwasserspeicher nimmt eine Doppelfunktion im Wärme- und Kälteversorgungskonzept ein. Im Kühlbetrieb dient er der Speicherung von Kälte sowie der Schaffung einer redundanten Kälteversorgung für die sensible Prozesstechnik des Laborgebäudes. Im Heizbetrieb fungiert er als Wärmequelle für die Wärmepumpe. Mit Hilfe des 500 Kubikmeter großen Wärme- und Kältespeichers kann der gesamte Heizbedarf aus Wärmerückgewinnung abgedeckt, Kälte gespeichert und phasenverschoben wieder genutzt werden. 

Das Institutsareal bot die Gelegenheit die Sanierung von bestehenden Institutsgebäuden und den Laborneubau so miteinander zu verbinden, dass die Energieversorgung (Kühlwasser und Heizung) umweltfreundlich und innovativ zu einem Nahwärme- und Kälteverbund umgestaltet werden konnte. Dabei wurde die Energiezentrale des Laborneubaus so konzipiert, dass Nachbargebäude in einem Verbundsystem mitversorgt werden können. Der Laborneubau dient im Projekt »LowEx: Bestandsgewerbebauten (Niedrig-Exergie Wärme- und Kälteversorgungskonzepte für Bestandsgewerbebauten)« als Demonstrations- und Entwicklungsobjekt. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie BMWi gefördert. 

Eine weitere Innovation im Sinne der angewandten Forschung bei Fraunhofer ist die Integration von Photovoltaik Modulen mit winkelselektiver Transmission in die Fassade des Seminar-raums. Dabei handelt es sich um eine neue Generation von teiltransparenten Photovoltaik Modulen (PV-Shade®), die am Fraunhofer ISE entwickelt werden. Diese Module bestehen aus zwei Lagen mit streifenförmigen Solarzellenstrings, die zueinander in einem definierten Winkel zum einfallenden Sonnenlicht ausgerichtet und in die Verbundglas-Außenscheibe der Dreifachverglasung integriert sind. Sie ermöglichen den Blick nach außen und dienen zugleich als Sonnenschutz für den Innenraum, wodurch der Kühlenergiebedarf gesenkt wird. 

An der Südwest-Fassade des Laborneubaus kommen neuartige kristalline Photovoltaik Module für die Verkleidung der Außenwand zum Einsatz. Sie basieren auf innovativer Solarzellentechnologie mit rückseitiger Kontaktierung – nach dem hausintern entwickelten und patentierten sogenannten High Performance Metal Wrap Through (HIP-MWT) Konzept. Die Solarzellen wurden im Photovoltaik Technologie Evaluations Center des Fraunhofer ISE in einer Pilotfertigungslinie hergestellt. Die Verschaltung erfolgt mittels strukturierter Zellverbinder, die am Fraunhofer ISE entwickelt und patentiert wurden. Innovativ ist auch die Verkapselung der verschalteten Solarzellen zwischen zwei Gläsern, basierend auf der randversiegelten Modultechnologie (TPedge), ebenfalls ein Patent des Fraunhofer ISE. Dabei werden die Solarzellen nicht wie sonst üblich einlaminiert, sondern punktuell fixiert. Die eingesetzte Rückkontakttechnologie bietet ein hohes Effizienzpotenzial, bei TPedge steht das Kostensenkungspotenzial im Vordergrund. 

Wichtige Entwicklungsschritte, die teilweise Demonstration in der Kleinserienproduktion und die Gebäudeintegration wurden durch Forschungsprojekte der Bundesministerien für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit BMU, für Bildung und Forschung BMBF und für Wirtschaft und Technologie BMWi gefördert. 

Quelle: Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE

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