Artikel vom 14.05.2013, Druckdatum 15.11.2024

Flankenschutz für das Klima: Neuen Boom der Kohlekraft beenden

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) haben rechtliche Instrumente zur Verhinderung des Neubaus von Kohlekraftwerken und zur Begrenzung von Laufzeiten für bestehende Kohlemeiler untersuchen lassen. Ein von beiden Umweltverbänden in Auftrag gegebenes Gutachten belegt, dass es rechtlich möglich wäre, neue Anlagen zu verhindern und die Laufzeit bestehender Anlagen zu begrenzen. Ziel einer derart forcierten Anti-Kohle-Strategie wäre es, die nationalen Klimaschutzziele abzusichern. Allerdings fehle bei der gegenwärtigen Bundesregierung dazu der politische Wille.

Die Umweltorganisationen reagieren mit der Untersuchung neuer gesetzgeberischer Maßnahmen auf die andauernde Unwirksamkeit des Europäischen Emissionshandels. Der Emissionshandel biete derzeit offensichtlich keinen Anreiz für die Energieversorgungsunternehmen, umzusteuern und in Klimaschutz zu investieren. Zugleich sei eine grundlegende Reform des Emissionshandels nicht in Sicht. 

„Wenn ökonomische Instrumente wie der Europäische Emissionshandel die erhoffte Lenkungswirkung verfehlen, stehen dem Gesetzgeber andere ordnungsrechtliche Wege offen, um den Ausstieg aus der Kohleverstromung und den Ausbau CO2-armer Stromerzeugungsoptionen zu forcieren“, sagte die Hamburger Rechtsanwältin und Autorin des Gutachtens Dr. Roda Verheyen. Wie bei der Atomkraft geschehen, könne der Staat den Zubau neuer Kohlekraftwerke sogar verbieten. Die Politik könne auch bestimmte Effizienzkriterien bzw. CO2-Grenzwerte pro erzeugte Kilowattstunde vorgeben, erläuterte Verheyen. Angesichts neuer Flexibilitätsanforderungen, die konventionelle Kraftwerke inzwischen erfüllen müssten, um die Erzeugungslücken der fluktuierenden Erneuerbaren Energien aus Sonne und Wind auszugleichen, sei es auch möglich, entsprechende Standards festzuschreiben. Schließlich könnten der Bund bzw. betroffene Länder auch den Aufschluss neuer Braunkohletagebaue verbieten, um so den Bau neuer klimaschädlicher Braunkohlekraftwerke zu verhindern. 

Nachdem das Europaparlament Mitte April die von der EU-Kommission vorgeschlagene Notmaßnahme des so genannten Backloadings von CO2-Zertifikaten scheitern ließ, liegt der einst als Königsweg für den Klimaschutz gefeierte Handel mit Emissionszertifikaten nach Überzeugung von DUH und BUND am Boden. Der Preis für CO2-Zertifikate ist dauerhaft zu niedrig - mit verheerenden Konsequenzen für den Klimaschutz und die Energiewende: Die Kohleverstromung ist inzwischen so lukrativ wie lange nicht, und trotz des Booms der Erneuerbaren Energien steigt der nationale CO2-Ausstoß wieder an, weil Kohlekraftwerke ständig in Betrieb sind. Sogar neue Kohlekraftwerke werden weiter errichtet. Hingegen droht flexiblen Gaskraftwerken, die für die Energiewende dringend benötigt würden, das wirtschaftliche Aus. 

„Es gibt keinen klimaschädlicheren Energieträger als Kohle. Mit ehrgeizigen Umweltstandards lässt sich dem Neubau von Kohlekraftwerken ein Riegel vorschieben. Und nach und nach müssen die bestehenden Anlagen ebenfalls abgeschaltet werden. Das ist der konsequente Weg für das Auslaufen der klimaschädlichen Kohleverstromung“, sagte die BUND-Klimaexpertin Tina Löffelsend. Der CO2-Zertifikatehandel werde das Kohle-Problem auf absehbare Zeit nicht lösen. „Kohlekraftwerke haben keinen Platz in einem erneuerbaren Energiesystem. Die Politik muss handeln und die rechtlichen Möglichkeiten nutzen, um die Energiewende zu einem Erfolg zu machen. Das Klima braucht Flankenschutz, Deutschland muss und kann hier vorangehen“, so Löffelsend. 

Das heute vorgestellte Gutachten der Umweltverbände zeige, dass es durchaus Möglichkeiten gebe, die nationale Stromerzeugung im Sinne von Klimaschutz und Energiewende neu auszurichten, erklärte die Leiterin Klimaschutz und Energiewende der DUH, Dr. Cornelia Ziehm. „Wer jetzt weiter die Mär verbreitet, der Europäische Emissionshandel lasse flankierende ordnungsrechtliche Möglichkeiten für eine CO2-ärmere Stromerzeugung nicht zu, setzt sich dem Verdacht aus, dass er die Energiewende tatsächlich gar nicht will“, so Ziehm. „Eine Selbstfesselung des Gesetzgebers gibt es nicht. Im Gegenteil eröffnet beispielsweise die so genannte Schutzverstärkungsklausel die Möglichkeit, auf nationaler Ebene „trotz“ des Emissionshandelssystems tätig zu werden. Wollte man das angesichts der andauernden Misere des Emissionshandels anders sehen, plädierte man im Ergebnis für einen Stillstand der Klimaschutzpolitik. Das wäre der Offenbarungseid der Klimaschutzpolitik in Deutschland.“ 

Der BUND und die DUH zeigten sich überzeugt, dass die in dem Gutachten untersuchten Möglichkeiten zur Begrenzung der Kohleverstromung in Deutschland bundes- und europarechtlich zulässig sind. Die Diskussion über zusätzliche Klimaschutzinstrumente zur Flankierung des darniederliegenden Emissionshandels müsse dringend geführt werden. Sonst bestehe die Gefahr, dass Deutschland und Europa ihre Klimaziele verfehlen und Deutschland keine Blaupause mehr für den Umbau der Energieversorgung in anderen Staaten biete. Heute neu errichtete Kohlekraftwerke, die bis über die Mitte des Jahrhunderts hinaus betrieben werden könnten, machen einen erfolgreichen Klimaschutz unmöglich. 

Das Rechtsgutachten von Dr. Roda Verheyen sowie das kürzlich erschienene DUH-Gutachten zur rechtlichen Zulässigkeit nationaler CO2-Grenzwerte für dem EU-Emissionshandel unterfallende, neue Kraftwerke ist hier zu finden. 

Quelle: Deutsche Umwelthilfe e.V.
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