Artikel vom 16.04.2013, Druckdatum 15.11.2024

Dalai Lama: „Wir brauchen ein globales Verantwortungsgefühl“

„Mittel und Arbeit in die Herstellung von Waffen zu stecken ist destruktiv und reine Geldverschwendung – stattdessen sollten wir Technologien und die Forschung fördern, etwa zur Solarenergie“, so der 14. Dalai Lama bei seinem heutigen Besuch an der Universität Bern. Der Dalai Lama kam, um vor Studierenden einen Vortrag zu halten und mit ihnen in einen Dialog zu treten. Im Mittelpunkt stand das Thema der Nachhaltigen Entwicklung.

Vor über 500 Studierenden hielt heute der 14. Dalai Lama an der Universität Bern einen Vortrag über Nachhaltige Entwicklung. Nach einer kurzen Begrüßung richtete er sich an die Studierenden, seine „jungen Brüder und Schwestern“, und freute sich über die Gelegenheit, der jungen Generation zu begegnen. Er bezeichnete sich selbst als „alten Mann des 20. Jahrhunderts“, eines Jahrhunderts voller Gewalt. Nun solle das 21. Jahrhundert, dessen Vertreterinnen und Vertreter die Studierenden seien, zum Jahrhundert des Friedens und des Dialogs werden. „Ihr tragt die Verantwortung dafür“, sagte der Friedensnobelpreisträger.

Der Dalai Lama forderte ein Umdenken beim Betrachten von Problemen wie der Klimaerwärmung oder der Überbevölkerung: „Wir müssen an die ganze Menschheit denken, nicht an einzelne Nationen oder Gruppen. Wir brauchen ein globales Verantwortungsgefühl, das Gefühl einer Einheit. Wir sind 7 Milliarden Menschen auf der Erde – und mental, emotional und physisch sind wir alle exakt gleich.“ Jede Einzelne und jeder Einzelne habe das Recht, ein glückliches Leben zu führen.

Aber als Individuen könnten wir die Probleme nicht aus der Welt schaffen, nur mit einer globalen, einer ganzheitlichen Vision. Dies werde aber noch zu wenig wahrgenommen. Realität und Wahrnehmung klafften noch zu weit auseinander. „Ausbildung ist hier der Schlüssel, um eine sich ändernde Realität und unsere Wahrnehmung näherzubringen“. Es sei auch falsch zu denken, die Probleme bestünden unabhängig voneinander: „Eure Zukunft ist mit dem Rest der Welt verlinkt“, sagte er dem Publikum.

Auf den rund halbstündigen Vortrag folgten Fragen von Studierenden. Auf eine Frage zum Fleischkonsum antwortete der Dalai Lama, er selber sei kein Vegetarier. Er empfehle aber, nicht jeden Tag Fleisch zu essen und plädiert für mehr Vegetarismus – denn große Rinderfarmen zum Beispiel seien ökologisch bedenklich und auch wirtschaftlich teuer.

Auf eine Frage zur Bedeutung der Religionen unterstrich der Dalai Lama seinen säkularen Ansatz: Religionen seien hilfreich, aber könnten die globalen Probleme nicht lösen. Er spreche daher von einer „säkularen Ethik“, die es zu stärken gelte, nicht einzelne Götter oder Buddha, sondern ethische Werte: „Mitgefühl, Respekt, Liebe sind nicht den Religionen vorbehalten.“ Säkular zu sein bedeute auch nicht gegen die Religionen zu sein, sondern: „Respekt gegenüber allen Religionen zu haben, keine Präferenzen zu hegen, und auch Nichtgläubige zu achten“. Eine solche säkulare Ethik wünsche er sich auch vermehrt in universitärer Forschung und Lehre.

Zum Dalai Lama

Der 14. Dalai Lama, Tendzin Gyatsho, ist das spirituelle Oberhaupt Tibets. Der 78jährige wurde in Osttibet in einfachen Verhältnissen geboren und als Zweijähriger als Reinkarnation des 13. Dalai Lama erkannt. Die Dalai Lamas gelten im tibetischen Buddhismus als Verkörperung von Boddhisattvas – erleuchtete Wesen, die ihr Eingehen ins Nirvana so lange zurückstellen, bis alle anderen Lebewesen erleuchtet sind.

Zugleich war der 14. Dalai Lama auch der politische Führer Tibets. 1959 floh er vor der chinesischen Invasion ins Exil. Seither setzt er sich für Gewaltlosigkeit und die Menschenrechte ein und erhielt dafür 1989 den Friedensnobelpreis.

2011 hat der Dalai Lama all seine politischen Ämter abgelegt, engagiert sich aber weiterhin für bestimmte Themen, unter anderem für den Umweltschutz. Der Autor von über 70 Büchern hat auf seinen zahlreichen Reisen immer wieder die Schweiz besucht, wo die grösste tibetische Exilgemeinde Europas lebt. Heute lebt er im nordindischen Dharamsala. 

Quelle: Universität Bern

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