Artikel vom 28.01.2013, Druckdatum 15.11.2024 | |
Designzellen produzieren Erneuerbare Energie Forscherinnen und Forscher der Ruhr-Universität Bochum (RUB) arbeiten an einer umweltfreundlichen Alternative zur bisherigen Wasserstoff-Gewinnung: Sie nutzen Blaualgen, um Wasserstoff aus Wasser zu gewinnen. Die Energie dazu liefert die Sonne – völlig kostenlos. Gemeinsam mit neun internationalen Kooperationspartnern aus Industrie und Forschung entwickeln die Wissenschaftler unter Federführung der Universität Uppsala solargetriebene Energiemodule, die sowohl kostengünstig als auch umweltfreundlich sind. Wasserstoff wäre ein idealer Energieträger, gäbe es da nicht einen Haken: Momentan wird er überwiegend aus fossilen Brennstoffen gewonnen. RUB-Forscher/innen um Prof. Dr. Matthias Rögner vom Lehrstuhl Biochemie der Pflanzen arbeiten derzeit an einer umweltfreuundlichen Alternative. Dazu haben sie in dem vom BMBF geförderten Vorläuferprojekt bereits erfolgreich eine Art „Biobatterie“ entwickelt: ein halbkünstliches Modellsystem mit isolierten biologischen Komponenten wie den beiden Photosystemen, die Lichtenergie in chemische Energie umwandeln. Außerdem haben die Forscherinnen und Forscher begonnen, die Photosynthese von Blaualgen (Cyanobakterien) genetisch so zu verändern, dass sie für eine zukünftige lichtgetriebene Wasserstoffproduktion geeignet ist. Die hierfür benötigten sogenannten Hydrogenasen bauen Projektteilnehmer an der Universität Uppsala aus anderen Organismen in die Zellen ein, da Cyanobakterien kein leistungsfähiges Enzym zur Wasserstoffproduktion besitzen. Im neuen EU-Projekt wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Cyanobakterien langfristig zu selbstreplizierenden „zellulären Fabriken“ für die Biowasserstoffproduktion umbauen. Mit der sogenannten Synthetischen Biologie schaffen sie quasi einen Baukasten mit Proteinen, deren genetischen Bauplänen und ihren Regulationsmechanismen als standardisierten Komponenten. Diese Bausteine sollen Anwender für verschiedene Zwecke beliebig kombinieren und anpassen können. Geplant ist zum Beispiel, einen Selbstzerstörungsmechanismus in die Cyanobakterien einzubauen, der anspringt, falls die genetisch veränderten Zellen ungewollt freigesetzt werden. Im Projekt evaluieren die Forscherinnen und Forscher auch biotechnologische Möglichkeiten, zum Beispiel die technische Massenanzucht der Blaualgen in optimierten Photobioreaktoren. Sowohl beim „Designen“ der Zellen als auch beim Planen der Verfahrensprozesse im Reaktor helfen Bioinformatiker mit mathematischen Simulationen bei der Optimierung. Eine enge Vernetzung der Kompetenzen aller beteiligten Arbeitsgruppen aus sieben europäischen Ländern ist dafür unabdingbar. Normalerweise investieren Cyanobakterien und Pflanzen die bei der Photosynthese aufgenommene Lichtenergie größtenteils in Wachstum und Vermehrung, indem sie Wasser spalten und Kohlendioxid zu Kohlenhydraten umsetzen. Ziel des Projekts ist es, einen Großteil der Lichtenergie in die direkte Erzeugung von Bioenergie in Form von Wasserstoff zu investieren – und nicht in Biomasse Damit dieses Verfahren möglichst effizient ist, müssen die Forscherinnen und Forscher die Elektronen aus der Wasserspaltung so früh wie möglich abgreifen, noch bevor der Organismus sie für die Produktion von Biomasse verwendet. Das Team um Prof. Rögner arbeitet deshalb hauptsächlich daran, die bei der Photosynthese gewonnenen Elektronen auf die Hydrogenase umzuleiten und die ganze Zelle für diesen Prozess zu optimieren. Hierzu reduzieren sie zum Beispiel drastisch die Zahl der Lichtsammelantennen, mit denen Blaualgen auch noch bei extrem wenig Licht Photosynthese betreiben können – eine Situation, die im Photobioreaktor mit kontrollierter Belichtung nicht eintritt. Diese Antennen sind das häufigste Protein in der Zelle. Verringert man ihre Anzahl, spart man nicht nur Energie, sondern ermöglicht auch eine wesentlich höhere Zelldichte im Reaktor. Kostenanalysen von Prof. Dr. Hermann-Josef Wagner, Lehrstuhl für Energiesysteme und Energiewirtschaft an der RUB, im Zuge des Vorläuferprojektes zeigten, dass der zukünftig mit diesen Designzellen erzeugte Wasserstoff wirtschaftlich konkurrenzfähig sein kann, wenn alle Optimierungen planmäßig verlaufen. „Licht ist umsonst, die Zelle kann sich dadurch selbst mit Energie versorgen“, erklärt Rögner. Auch das Anzuchtmedium – mit Nährstoffen angereichertes Wasser – ist billig verfügbar und kann dem Wasserkreislauf wieder zugeführt werden. Alternativ kann Meerwasser mit marinen Cyanobakterien verwendet werden. Teuer sind bisher noch die zur Massenkultur verwendeten Photobioreaktoren. Gemeinsam mit der Firma KSD aus Hattingen entwickeln die Bochumer daher kostengünstige, spezielle Flachbett-Systeme. Ziel ist, den bereits verfügbaren 5 L-Laborreaktor in der Projektlaufzeit zu einem 100 L-Prototyp auszubauen. Dann möchte das Team in Zusammenarbeit mit zwei italienischen Kooperationspartnern mehrere Module koppeln und so Freiland-Reaktoren mit einem Fassungsvermögen von bis zu 1.000 Litern konstruieren und erproben. „Das eröffnet die attraktive Möglichkeit, die Herstellungs- und zukünftige Betriebskosten zu minimieren und speziell auch auf landwirtschaftlich nicht nutzbaren Flächen mit hoher Photosynthese-Effizienz preiswert Energie zu erzeugen“, sagt Rögner. Das Projekt „CyanoFactory“ läuft über drei Jahre und wird mit insgesamt 3,7 Millionen Euro gefördert; davon gehen 425.000 Euro an die RUB. Quelle: Ruhr-Universität Bochum |