Artikel vom 04.04.2011, Druckdatum 15.11.2024

Deutsche Umwelthilfe: Bundesregierung vor Lackmus-Test in der Atompolitik

Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hat die Klageankündigung des RWE-Konzerns gegen die Abschaltung seines Altreaktors Biblis A als „ignoranten und verzweifelten Versuch“ bezeichnet, die Nachbeben der Reaktorkatastrophe von Fukushima in Deutschland einzudämmen. Der Vorgang zeige erneut, dass hierzulande die Energiewende trotz einer überwältigenden Mehrheit für den Atomausstieg nur in einem „beinharten Machtkampf gegen die strukturkonservativen Teile der traditionellen Energiewirtschaft durchgesetzt werden“ könne.

DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake forderte die Bundesregierung eindringlich auf, „die Stilllegung der gegen zufällige oder gezielte Flugzeugabstürze unzureichend gesicherten Atomkraftwerke so schnell wie möglich auf einer tragfähigen gesetzlichen Grundlage abzusichern“. Dieser Schritt sei überfällig und „der Lackmus-Test für die Ernsthaftigkeit der neuen Atomenergiepolitik der Bundesregierung“. Baake erinnerte daran, dass führende Juristen, darunter der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier, schon die juristische Begründung der vorläufigen Abschaltung von sieben Altmeilern durch die Bundesregierung als nicht gerichtsfest bewertet hatten. 

Die DUH forderte aber auch die privaten und gewerblichen Stromverbraucher/innen auf, das „gegen die eigenen Kunden gerichtete Machtgehabe der Atomkonzerne mit einem massenhaften Stromversorgerwechsel“ zu beantworten. Nach dem Motto: Wer nicht hören will, muss fühlen, sollten die Kundinnen und Kunden zu Ökostromversorgern wechseln, die nicht mit Atomunternehmen verbunden seien. Wer diesbezüglich ganz sicher gehen wolle, könne sich bei der von der DUH vor fast fünf Jahren gegründeten Verbändeinitiative „Atomausstieg selber machen!“ informieren und binnen weniger Minuten wechseln.

Nach Überzeugung der DUH müssten nach einer gesetzlich geregelten Stilllegung der sieben ältesten Atomkraftwerke und des seit bald vier Jahren fast ununterbrochen abgeschalteten Pannenreaktors Krümmel auch die dann noch verbleibenden Atommeiler so zügig wie möglich abgeschaltet und durch eine Kombination aus Erneuerbaren Energien, hocheffizienten Gaskraftwerken und Effizienzfortschritten ersetzt werden. Dies sei eine zwingende Konsequenz der Erfahrungen von Fukushima. 

Eine Sicherheitsüberprüfung der verbleibenden Atomkraftwerke auf Basis des Ende März vom Bundesumweltminister veröffentlichten Prüfkatalogs der Reaktorsicherheitskommission (RSK) mache dann grundsätzlich Sinn, wenn aus ihr „reaktorscharf“ neue Erkenntnisse über die relative Sicherheit der jeweiligen Anlagen im Lichte der Ereignisse von Fukushima gewonnen werden können. 

Noch wichtiger wäre aber die Sicherheitsauslegung der Atomkraftwerke auf Basis der Fukushima-Erfahrungen zu aktualisieren und daraus Nachrüsterfordernisse für jeden einzelnen Reaktor abzuleiten. Diese könnten dann bei der Festlegung der Abschaltreihenfolge und zwischenzeitlich noch notwendiger Nachrüsterfordernisse berücksichtigt werden.

Allerdings ergeben sich aus den bisher bekannten Rahmenbedingungen für die nun geplanten Sicherheitschecks für die DUH massive Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Unterfangens. Zum einen verweigere Umweltminister Norbert Röttgen weiter die Anwendung des seit 2009 aktualisierten Kerntechnischen Regelwerks (KTR), zum anderen seien die für die Überprüfung der Reaktoren gesetzten Fristen von wenigen Wochen angesichts des Umfangs der Prüfkatalogs vollkommen unrealistisch. 

Einerseits könnten in der vorgegebenen Frist keine konkreten Untersuchungen vor Ort durchgeführt werden. Andererseits müssten sich die Beteiligten (Reaktorsicherheitskommission, RSK, Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, GRS und Ethikkommission) auf in der Vergangenheit durchgeführte Untersuchungen und erhobene Angaben verlassen. Selbst bei besten Absichten sei es vollkommen unrealistisch, die Konsequenzen der Fukushima Erfahrungen für deutsche Reaktoranlagen bis Ende Mai seriös zu erheben, zu bewerten und Vorschläge zur Nachrüstung zu unterbreiten. 

Misstrauisch stimme in diesem Zusammenhang auch, dass die in einem Arbeitspapier des BMU („Erste Überlegungen zu Konsequenzen Fukushima“) vom 16. März 2011 niedergeschriebenen konkreten Maßnahmen und Vorschläge für umfangreiche Nachrüstungen in dem Prüfkatalog keine wesentliche Rolle mehr spielten. In dem Papier waren neue Auslegungskriterien als Konsequenz aus Fukushima vorgeschlagen worden. In dem RSK-Prüfkatalog gehe es dagegen lediglich darum zu prüfen, ob und inwieweit in den bestehenden Anlagen noch Sicherheitsreserven gegen neue Unfallabläufe vorhanden seien. 

Quelle: Deutsche Umwelthilfe e.V.
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