Artikel vom 13.06.2006, Druckdatum 15.11.2024

„Unverschämte Abzocke“

Nach Angaben des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE) rechnen die deutschen Stromkonzerne bei ihren Kunden seit Jahren überhöhte Entgelte für die Einspeisung und Übertragung Erneuerbarer Energien ab. Pro Jahr würden mehr als eine halbe Milliarde Euro zuviel kassiert, so der BEE. Die Erneuerbare-Energien-Branche sieht sich deshalb durch die aktuelle Entscheidung der Bundesnetzagentur bestätigt.

Letzte Woche hat die Bundesnetzagentur mit Vattenfall Europe erstmals einen Konzern und großen Netzbetreiber verpflichtet, die Stromnetzgebühren zu senken. Die Netzagentur hatte bei ihrer Prüfung festgestellt, dass Vattenfall insbesondere für die Weiterleitung von Strom aus Erneuerbaren Energien Kosten angegeben hat, die „deutlich zu hoch“ lagen. Insgesamt wurden von der Netzagentur 18 Prozent der von Vattenfall beantragten Kosten nicht anerkannt. Der Konzern muss daher jetzt seine Netzentgelte senken, hat aber schon eine Eilklage gegen diese Entscheidung angekündigt.

Dagegen sieht sich die Erneuerbare-Energien-Branche durch die aktuelle Entscheidung der Netzagentur bestätigt. BEE-Geschäftsführer Milan Nitzschke: „Endlich reagiert eine Behörde auf die unverschämte Abzocke eines Stromkonzernes bei Erneuerbaren Energien. Jahr für Jahr haben Vattenfall, RWE und andere ihre Preise angehoben und behauptet, dies läge unter anderem an Erneuerbaren Energien. Das ist nachweislich falsch.“ Tatsächlich würde der Preisunterschied von Strom aus Erneuerbaren Energien und Strom aus Kohle, Gas und Kernenergie jedes Jahr geringer. Trotz des rasanten Ausbaus Erneuerbarer Energien auf heute über zehn Prozent des Stromverbrauchs läge der Anteil der Mehrkosten für die Stromverbraucher bei gerade einmal 2,8 Prozent des gesamten Strompreises.

Als „ersten Schritt hin zu niedrigeren Strompreisen“ bezeichnete auch der Saarbrücker Energieexperte Uwe Leprich die Verpflichtung von Vattenfall Europe zu niedrigeren Stromnetzgebühren. „Weitere Senkungen werden zwangsläufig folgen müssen“, so der Wissenschaftler vom Institut für ZukunftsEnergieSysteme (IZES) an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) des Saarlandes. Den angekündigten Klagen der Stromversorger gegen die Zwangsmaßnahmen der Netzagentur gibt Leprich keine Chance. Das Verfahren sei international erprobt; Deutschland reihe sich lediglich in die internationalen Gepflogenheiten ein. „In Deutschland wird man sich daran gewöhnen müssen, dass man nicht unbegrenzt Geld verdienen kann“, sagte Leprich. Angesichts der hohen Gewinne der Stromkonzerne sei die Senkung der Netzgebühren fast zu vernachlässigen.

Heiko von Tschischwitz, Geschäftsführer des größten unabhängigen Stromanbieters in Deutschland, LichtBlick, sieht die Entscheidung der Bundesnetzagentur kritisch: „Die angekündigte Kürzung der Netzentgelte im Übertragungsnetz der Vattenfall-Gruppe um 10 Prozent ist einerseits ein Schritt in die richtige Richtung und andererseits in ihrer Wirkung enttäuschend. Vattenfall hatte zu Beginn des Jahres 2005 genau diese Entgelte um 28 Prozent erhöht. Mit der jetzt verkündeten Entscheidung kürzt der oberste Regulator in Deutschland gerade einmal ein Drittel dessen, was Vattenfall bereits seit Beginn des Jahres 2005 zusätzlich vereinnahmt. Entgegen dem offiziell geäußerten Katastrophengejammer aus dem Hause Vattenfall werden intern eher die Champagnerkorken geknallt haben.“

LichtBlick versorgt bundesweit knapp 200.000 Haushalte sowie eine Vielzahl von Geschäftskunden mit zertifiziertem, vollständig regenerativ erzeugtem Strom und ist gesellschaftsrechtlich unabhängig von der etablierten Energiewirtschaft. Im Oktober 2005 hatte LichtBlick vor dem Bundesgerichtshof ein Grundsatzurteil erstritten, das die Netzbetreiber verpflichtet, die Angemessenheit ihrer Entgelte durch Offenlegung der Kalkulationen gegenüber den Netznutzern nachzuweisen. LichtBlick kündigte weitere rechtliche Schritte gegen zu hohe Netzentgelte an. Die Höhe der Netzentgelte entscheidet darüber, ob und wie intensiv sich Wettbewerb im Strommarkt entwickelt.

Quelle: Bundesverband Erneuerbare Energie e.V., verivox, dpa








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