Artikel vom 15.09.2009, Druckdatum 15.11.2024 | |
Wer oder was macht den Strom wirklich teuer? Nachdem vor wenigen Tagen Greenpeace über die tatsächlichen Kosten von Atomstrom informiert hatte, meldet sich nun der Bundesverband der Energie-Abnehmer e. V. (VEA) zu Wort: Laut Berechnungen des Rheinisch-Westfälisches Instituts für Wirtschaftsforschung RWI würden die Subventionen für Erneuerbare Energien alle Prognosen sprengen. Allein für die Photovoltaik sollen es bis 2013 rund 77 Milliarden Euro an Fördergeldern sein. Pikant: Im Verwaltungsrat des RWI sitzt u.a. Dr. Rolf Pohlig, Finanzvorstand der RWE AG, bekannt auch als Betreiberin von Atomkraftwerken. Auf Deutschlands Verbraucher kommen laut dem Bundesverband der Energie-Abnehmer e. V. (VEA) „unerwartete Mehrkosten“ zu. Nur durch Solarstrom sollen es nach Berechnungen des Rheinisch-Westfälische Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) und der Financial Times Deutschland 7 bis 11 Milliarden Euro sein. Laut RWI werden bis 2013 sogar rund 77 Milliarden Euro an Fördergeldern für Photovoltaik zusammenkommen. „Diese Solarschulden müssen alle Stromverbraucher über 20 Jahre abtragen. Solarkraftwerke erzeugen derzeit aber nur 0,7 Prozent des deutschen Stroms“, heißt es in der entsprechenden Pressemitteilung des VEA. Manfred Panitz, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des VEA fordert die neue Bundesregierung nach der Bundestagswahl zum sofortigen Handeln auf: „Die neue Bundesregierung muss die Subventionen für Erneuerbare Energien unverzüglich senken. Sie verteuern den Strompreis, sparen aber kein Kohlendioxid. Deutschland braucht eine umweltverträgliche und bezahlbare Energieversorgung.“ Der Bundesverband der Energie-Abnehmer e. V. (VEA) versteht sich eigenen Angaben zufolge als „Energieanwalt, -berater, -beschaffer und –optimierer“ und ist „im Auftrag seiner mehreren tausend Mitgliedsunternehmen im gesamten Bundesgebiet tätig“. Mit „fundierter Marktkenntnis, einem großen Netzwerk an Kontakten in Politik und Wirtschaft, umfangreicher Expertise sowie langjähriger Erfahrung“ setze sich der VEA als Energiemanager wirkungsvoll für die Interessen der mittelständischen Energiekunden in Deutschland ein, heißt es auf der Homepage des Verbands. Das Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung Essen (RWI) versteht sich eigenen Angaben zufolge „als modernes Zentrum für wissenschaftliche Forschung und evidenzbasierte Politikberatung“. Stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrats des RWI ist derzeit Dr. Rolf Pohlig, Finanzvorstand der RWE AG. Auch Dr. Dietmar Kuhnt, bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 2003 Vorstandsvorsitzender der RWE AG, gehörte einst dem Verwaltungsrat des RWI an. Die RWE AG ist Betreiberin mehrerer Atomkraftwerke auf bundesdeutschen Boden, u.a. Biblis A und B, Lingen im Emsland und Gundremmingen. Bliebe es beim Atomausstieg, muss der RWE-Meiler Biblis A Anfang 2010 stillgelegt werden. Block B würde Mitte desselben Jahres heruntergefahren. Würde den umstrittenen Kraftwerken jedoch eine international übliche Nutzungsdauer von 60 Jahren erlaubt, könnte RWE die Biblis-Blöcke bis weit über das Jahr 2030 hinaus laufen lassen – und Kostenvorteile von 300 Millionen Euro jährlich für sich herausholen, hat die WirtschaftsWoche ausgerechnet. Die von Greenpeace beim Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) in Auftrag gegebene und vor kurzem veröffentlichte Studie versuchte erstmals, eine weitgehend vollständige Bilanz aller staatlichen Förderungen zu Gunsten der Atomindustrie zusammen zu stellen. Das Ergebnis: Der Staat – also alle Bundesbürgerinnen und Bundesbürger – haben die Atomenergie bisher zusätzlich zu den Stromkosten mit mindestens 165 Milliarden Euro gefördert. Das entspricht laut Greenpeace einer Subventionierung des Atomstroms von 3,9 Cent pro Kilowattstunde (kWh) Strom Dazu kommen die bereits heute schon absehbaren zukünftigen Kosten, die die Studie auf mindestens 92,5 Milliarden Euro beziffert. Diese Zukunftskosten werden zum Beispiel durch die Sanierungskosten für die maroden Atommüllendlager Asse II und Morsleben, Steuervergünstigungen bei den Rückstellungen und die Vorteile aus der Strompreiserhöhung durch den Emissionshandel anfallen, so Greenpeace. Noch nicht einbezogen in diese Bilanzierung der Gesamtsubventionen wurden die externen Kosten der Atomenergie, verursacht vor allem durch die fehlende Haftpflichtversicherung für die tatsächlichen Kosten eines Super-GAU. Schätzungen unterschiedlicher Studien zur Höhe des geldwerten Vorteils der Atomkraftwerksbetreiber gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen durch eine fehlende ausreichende Haftpflichtversicherung decken eine Bandbreite bis zu 11.413 Milliarden Euro ab, so Greenpeace. Die exakte Bestimmung dieser externen Kosten der Atomkraft ist laut Greenpeace jedoch schwierig und wissenschaftlich umstritten. Bestimmte Bereiche der direkten Förderung z.B. durch Geld aus Länderhaushalten hätten im Rahmen dieser Studie ebenso nicht recherchiert und berücksichtigt werden können. Staatliche Leistungen, wie die Ausgaben für polizeiliche Sicherung von Atomtransporten und die Unterdeckung der Kosten für Atomverwaltung wurden zwar aufgeführt und beziffert, aber nicht in die Berechnung der Gesamtsumme mit einbezogen. „Die tatsächliche Begünstigung der Atomstromkonzerne liegt also weit über den hier konservativ berechneten Kosten“, so Greenpeace. Quelle: Bundesverband der Energie-Abnehmer e. V. (VEA), Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), RWE AG, Greenpeace Deutschland, WirtschaftsWoche |